Donnerstag, 3. März 2011

Witz

Es ist einer der Lieblingswitze von Taewoo und er erzählt ihn so: Kommt ein Rabbi an einer Metzgerei vorbei und sieht im Schaufenster ein halbes Schwein. Geht er rein und sagt zum Metzger: Ich möchte den Fisch aus dem Schaufenster. Sagt der Metzger: Das ist kein Fisch, das ist ein Schwein. Sagt der Rabbi: Ich will nicht wissen, wie der Fisch heißt, ich will ihn kaufen. – Auf der Rückseite des Buches von Lena Gorelik, das neben der Kasse in der Akazienbuchhandlung liegt, geht der Witz so: Ich hätte gerne das Fischbrötchen. – Das ist aber Salami. – Habe ich sie gefragt, wie der Fisch heißt? - Wer ist Lena Gorelik? frage ich den kleinen Buchhändler mit der Brille, gegen den man eigentlich nichts haben kann, ich aber schon. – Eine junge Autorin, antwortet er. – Ist sie Jüdin? frage ich. als ob ich mir das nicht denken könnte; frage es nur, um ihn zu piesacken wegen seiner Maulfaulheit, seiner blasierten. – Ja, antwortet er widerstrebend. – Kann ja auch gar nicht anders sein, sage ich darauf, sonst würde sie nicht so alte jüdische Witze erzählen, die schon jeder kennt. – Er reagiert nicht auf meine dümmliche Bemerkung, zu der ich mich habe hinreißen lassen a) weil ich den Witz in der Version von Taewoo besser finde, b) weil, wenn schon ein in Seoul geborener Kunstmaler den Witz erzählt, kann es nur ein altbekannter Witz sein, c) weil ich mich ärgere darüber, dass neben der Kasse das Buch von Lena Gorelik aufgestapelt liegt und nicht das Buch von Adriana Altaras, und ganz besonders ärgere ich mich darüber, dass ich das nicht ändern konnte. – Das Buch von Adriana liegt nämlich inmitten des großen Tisches, auf dem all die vielen Neuerscheinungen liegen. Der Titel des Buches ist: Titos Brille. Geschichte meiner strapaziösen Familie. Einer jüdischen Familie. Aber darum geht es jetzt nicht. Es geht darum, dass das Buch inmitten all der unwichtigen Neuerscheinungen liegt und nicht neben der Kasse, wo es den Leuten auffällt und sie fragen, was ist das? – Worauf der kleine Mann mit der Brille antworten könnte: Das ist das Buch der am 1.01.1960 in Zagreb geborenen Schauspielerin und Regisseurin Adriana Altaras, die mit ihrem Mann und ihren beiden Söhnen in Schöneberg lebt, übrigens gar nicht weit von hier. Das Buch wurde in der FAZ hervorragend besprochen und neulich war ein älterer Herr da, der kennt die Autorin persönlich und der hat so geschwärmt von ihr und ihrem sprühenden Witz, dass ich, obwohl ich wirklich Besseres zu tun habe, als das Zeug zu lesen, was ich hier verkaufe, mal reingeschaut habe in das Buch und es nicht eher weggelegt habe, als bis ich den letzten Satz gelesen hatte. – Dahin wollte ich ihn bringen, nachdem ich Adrianas Buch auf dem Wühltisch mit den viel zu vielen Neuerscheinungen gesehen hatte. – Wie verkauft es sich denn so, das Buch von Adriana Altaras?  hatte ich gefragt, um mit ihm ins Gespräch zu kommen. – Worauf der wortkarge Buchhändler mit dem Kopf wackelte und damit wohl sagen wollte: na ja. – Ich: Nicht so gut? – Er nun mit einem ganzen Satz: Es könnte besser sein. – Ich: Aber es verkauft sich schon? – Darauf er mit einem weiteren Satz: Ein paar Exemplare haben wir schon verkauft. – Ich: Kennen Sie Adriana Altaras? – Er: Nein. – Ich: Wissen Sie, dass sie in Schöneberg lebt? – Er schaut mich betrübt an. - Ich mache einen letzten Versuch: Liest sie demnächst mal hier? – Er schüttelt den Kopf. – Liest sie anderswo in Berlin? – Er: Nein, keine Informationen vom Verlag. – Inzwischen habe ich mich der Theke mit der Kasse genähert, hinter der er sitzt und mit etwas beschäftigt ist, von dem er sich zu meinem Verdruss nicht ablenken lassen will von mir. Ich bemerke neben der Kasse drei aufgestapelte Exemplare eines Buches mit dem Titel: Lieber Mischa, Du bist ein Jude. Ich lese den Witz auf der Rückseite des Buchumschlags und es kommt zu dem oben zitierten zweiten Teil des unergiebigen Dialogs mit dem Buchhändler. Während dessen lese ich im Klappentext, dass Lena Gorelik am 1.2.1981 in St. Petersburg geboren wurde und inzwischen mit Mann, Kind und Hund in München lebt. Danach klappe ich das Buch zu, lese nun das Kleingedruckte auf der Vorderseite und stelle fest, dass der vollständige Titel des Buches lautet: Lieber Mischa, der Du fast Schlomo Adolf Grünbaum geheißen hättest, es tut mir so leid, dass ich Dir das nicht ersparen konnte, Du bist ein Jude. – Ich denke, dass diese bemühte Witzigkeit (Schlomo Adolf) bestimmt nicht der Autorin anzulasten ist, sondern der Marketing-Abteilung ihres Verlags, über die man allerdings sagen kann, was man will, sie hat es hingekriegt, dass das Buch in der Akazienbuchhandlung neben der Kasse liegt. Das ist dem Verlag Adrianas mit ihrem Buch nicht gelungen. Und mir schon gar nicht.