Freitag, 11. März 2011

Welle

Da ich früh dran bin und es auf den Nachrichtenseiten im Internet nicht viel gibt, das mich interessiert, lese ich endlich mal das Gespräch von Ian Fleming mit Raymond Chandler, das ich vor Monaten mal ge-bookmarked habe: The Lost Interview (Seite 30). Es fand im Jahre 1958 statt, ein Jahr vor Chandlers Tod. Ian Fleming, der Schöpfer von James Bond, interviewt im Auftrag der Sunday Times den Schöpfer von Philip Marlowe. Die beiden Männer mögen sich und haben großen Respekt vor der Person und der Arbeit des anderen. Sie sprechen über das Handwerk des Krimischreibens und dann auch über Mord als Handwerk. Ein Auftragsmord, wie läuft so etwas ab, will Ian Fleming wissen: How’s a killing like  that arranged? – Philip Marlowe erklärt ihm darauf detailliert Planung und Abwicklung (Seite 31) und sagt abschließend über die Leute, die so etwas machen, dass es für sie eine rein sachliche Angelegenheit ist. Sie beschäftigen sich nicht mit der Person des Opfers. It´s just a job to them. Of course they have to be a certain sort of person, or they wouldn’t do it. They’re not like us. We wouldn’t do it.
i f : No ... difficult thing to imagine
doing.
r c: Well, I’ve known people I’d like to
shoot.
i f : Anybody in England?
r c: No, not in England.
i f : What do you want to shoot them for?
r c: I guess I thought they were better
dead.
Da habe ich zum ersten und letzten Mal heute lachen müssen. Über die Zwischenfrage von Ian Fleming: Anybody in England? – Gelacht, weil das so herrlich british ist, diese Frage zu stellen. Und wenn er sie nicht ernst, sondern spielerisch, ironisch gemeint hat, dann ist es auch herrlich british. - Sonst verhält es sich mit dieser Stelle so, dass ich zugeben muss, dass es bei mir nicht anders ist als bei Raymond Chandler. Und ich kann dem nur hinzufügen: dass auch ich dabei an niemanden in England denke, im übrigen auch an niemanden, der in meiner Straße wohnt; und zur weiteren Entwarnung: dass ich, seit ich den Blog schreibe, viel friedfertiger geworden bin in meinen Taten und auch in meinen Gedanken.

Nachdem ich das Fleming/Chandler-Gespräch gelesen habe, schaue ich, wie es der Frau von Les Mads geht. Sie war zuletzt auf der Fashion Week in Paris, hatte nicht genug Klamotten dabei, wie sie beklagt, war aber trotzdem wieder so hinreißend angezogen, wie wir es von ihr gewohnt sind. – Und wo sie nur immer die tollen Fotos von den Fashion Shows für ihren Blog her kriegt? Kauft sie die bei Agenturen ein? Oder ist sie mit Fotograf(in) unterwegs? – Ein Foto, das ich ganz lange angeschaut habe, ist das von der Chanel Show.

Ich bin nicht katastrophengeil. Selbstverständlich bleibe ich auch stehen, um zu gaffen, wenn ein Unfall passiert ist. Aber über Kriege oder Naturkatastrophen lese ich nur das Nötigste. Ich nehme zu meinen Gunsten mal an, dass ich mein Gefühl der Ohnmacht gegenüber dem Leid und dem Schrecken nicht noch vergrößern will durch zu viel Anschauung. Entgegen meiner Gewohnheit (ich gehe nur morgens und abends ins Internet, um keine Zeit zu vertrödeln) schaue ich nach dem Korrigieren des Posts von gestern noch mal auf SPIEGEL ONLINE und lese die Eilmeldung über die Erdbebenkatastrophe in Japan. Gebannt sehe ich mir ein Video an, das zeigt, wie die Tsunami-Welle einen Landstrich überflutet – die Trümmer ihres Zerstörungswerks mit sich reißend und somit noch mehr Zerstörungskraft entwickelnd. Das Video ist aus großer Höhe aufgenommen, wahrscheinlich aus einem Helikopter. Die Welle scheint schließlich zu kriechen, nur noch so langsam voran zu kommen, dass sie jeden Moment verebben muss. Aber so ist es nicht.

Letzter Teil: Schicksenplot 4.