Donnerstag, 31. Mai 2012

Umtopfen



Diese Welt: Bauhaus am Sachsendamm. Christoph und ich suchen größere Töpfe für die Wasserpflanze, die er mir bei seinem Auszug hinterlassen hat. Inzwischen zwei Wasserpflanzen, nachdem wir sie letzten Sommer geteilt haben. In diesem Frühling ein Wachstumsschub. Wir müssen die Pflanzen umtopfen. Nach dem Bauhaus über den Parkplatz zu Ikea. Dort auch keine Töpfe mit den Maßen, die wir brauchen. Dafür die Miniküche Duktig (72 x 42 cm), ein ideales Geschenk für die Kinder, die wir nicht haben. 


Dann eben zurück in die Hauptstraße zu McGeiz. Da stimmen die Maße, der Preis ist nicht zu unterbieten (Stück 3 Euro 50), und als ich die Töpfe zu Hause habe, werden sie mit jedem Anschauen schöner.


Ich könnte jetzt ein Getue darum machen, dass ich bei McGeiz etwas gekauft habe, und einen Bezug herstellen zu der Begebenheit vor zweieinhalb Jahren, als ich zum ersten Mal bei McGeiz war. Aber das eine wäre affig, weil sie hatten dort das beste Angebot, und das andere wäre sentimental. Kein Bezug, kein Link, kein Wort mehr. Und weil das auch affig ist und lächerlich, hier das Link



Mittwoch, 30. Mai 2012

Temps de l´Amour

                                                         
Tolles Paar. Im Sommer vor einem Jahr haben sie sich kennengelernt bei einer Schultheateraufführung von Die Arche Noahs. Sie war ein Rabe, er Pfadfinder, der sich vom Zuschauerraum in die Mädchengarderobe verirrte. Liebe auf den ersten Blick. Trennung bis zu den nächsten Sommerferien. Ein Jahr lang nur Briefe. Jetzt Flucht ins Liebesglück. In dem gelben Koffer von ihr Fantasybücher aus der Leihbibliothek und ein tragbarer Plattenspieler, den sie ihrem kleinen Bruder geklaut hat, damit sie ihrem Geliebten ihre Lieblingsplatte vorspielen kann. Die ist von Françoise Hardy (wir sind im Jahre 1965) und was ist über diese Platte nicht alles gesagt worden in den Interviews mit Wes Anderson. Doch es ist gerade mal ein Lied, das wir von ihr hören, dann müssen sich die beiden rasch zum ersten Mal küssen (french kissing), und dann werden sie auch schon eingeholt von ihren Verfolgern. Alles ist verloren. Oder doch nicht? Das Übliche. So aberwitzig erzählt, wie wir es von Wes Anderson kennen. Aber keine Zeit für etwas anderes als das Übliche. Daher so traurig der Nachhauseweg nach dem Kino: weil ich mich so gefreut hatte auf den Film, aber nun die Leere, die er bei mir hinterlassen hat, weil der Film nur von sich selbst erzählt und die Geschichte der beiden Kinder nur benutzt dazu, sich nicht für sie interessiert, viel zu wenig weiß von den beiden: Er Waisenkind, vielleicht zu intelligent, Bettnässer. Sie kleptomanisch, eine Diva, gewalttätig. Und zu empfindsam für diese Welt sind sie beide. Wie werden sie auf ihrer Flucht klarkommen mit den Macken des anderen? In einer Szene stellt der Film die Frage. Doch zu mehr fehlt ihm die Zeit, weil er es vorzieht, die Verfolgungsgeschichte zu erzählen, weil er lieber diesen Plotschematismus abklappert und seine Wes-Anderson-Späße mit ihm macht, ohne ihn wirklich der Lächerlichkeit preiszugeben. We died and were reborn and then mysteriously saved. Wer alles wie gerettet wird in Moonrise Kingdom, werde ich nicht verraten, um niemandem den Spaß zu verderben, der sich den Film noch ansehen will. Wir, das Publikum, sind jedenfalls nicht unter den Geretteten. Deshalb bin ich aus dem Film trauriger herausgekommen, als ich hineingegangen bin, und habe mich geärgert, dass ich es dem Trailer nicht angesehen habe, dass ich mir mehr als den Trailer nicht hätte ansehen müssen. 



Dienstag, 29. Mai 2012

Grabsucher



Dorotheenstädtischer Friedhof in der Chausseestraße. Ein Sightseeing-Friedhof an einem Sonn- oder Feiertag wie gestern.


Er sucht das Grab von Johannes Rau und hat zu seiner Freude zufällig gefunden das Grab von Bernhard Minetti, den er auf der Bühne erlebt hat am Schauspielhaus in Bochum in der großen Zeit von Peymann dort. Und dann hat er noch mehrere Gräber von Leuten entdeckt, von denen er gar nicht wusste, dass sie tot sind. Bärbel Bohley zum Beispiel. 


Er spricht nur wenig Deutsch, sagt er, und da ich überhaupt kein Russisch spreche, schlage ich vor, dass wir es lassen. Doch er versteht mich nicht, als ich das sage, und so haben wir erst einen anstrengenden und später einen befremdlichen Dialog. Er sucht die Gräber von Opfern amerikanisch-britischer Bombenangriffe, wie er sich ausdrückt. Als ich kurz darauf mitkriege, wie er jemand anderem die gleiche Frage stellt, präzisiert er: Bombenangriffe von 1944. Die zwei Leute können ihm auch nicht helfen und empfehlen ihm wie ich schon zuvor einen anderen Friedhof. Worauf er zu ihnen sagt, was er später auch zu mir sagen wird: Ich danke Ihnen von ganzem Herzen. Und bei ganzem Herzen legt er die Hand auf seins. Das ist entweder ein Russizismus oder die Person, die ihm Deutsch beigebracht hat, hat ihn verarscht. Das würde ich am liebsten auch tun, als ich ihm noch mal begegne, auf dem mit einer Mauer vom Dorotheenstädtischen abgetrennten Hugenottenfriedhof. Doch das Thema ist zu ernst. Ja, es gab ganz besonders schwere Luftangriffe 1944, sage ich zu ihm, aber wie sonst hätten die Alliierten das faschistische Deutschland bezwingen sollen? Ohne die Luftangriffe hätte die Rote Armee nicht im Jahr darauf mit relativ geringen Verlusten Berlin einnehmen können. – Beeindruckt ihn nicht. Ob ich die Namen der Generalfeldmarschälle  Hitlers kenne, fragt er. Hitler interessiert mich nicht, sage ich, und von Militärgeschichte habe ich keine Ahnung. Er zählt die Namen der Generalfeldmarschälle stolz auf und ich würde ihn jetzt am liebsten stehen lassen, um endlich weiter nach dem Grab von Bernhard Minetti zu suchen. Aber dann stellt er eine Frage, die ich beantworten kann: Gibt es einen Militärfriedhof? – Antwort: Ja, so etwas Ähnliches, den Invalidenfriedhof. Nicht weit entfernt von hier. Ich erkläre ihm den Weg und er bedankt sich dafür von ganzem Herzen.


Hier geht es auf den Hugenottenfriedhof:


Und wo ist das Grab Hegels? – Neben dem von Fichte. 


Links Fichte mit Gemahlin, rechts Hegel.


Wegen Hegel bin ich hier und wegen Heiner Müller. Rainald Goetz hat in seiner Antrittsvorlesung an der FU (*) über Müllers Grab gesprochen und ich möchte sehen, was das Besondere daran ist, obwohl ich Heiner Müller für überhypet halte und er mir schon physiognomisch immer unsympathisch war.



Da ist sie also, die rostbraune Stele, die Rainald Goetz so oft schon fotografiert hat, wie er erzählte. Aber mehr als Gemeinheiten über den Tannenzapfen, das Känguru und über Rainald Goetz fallen mir dazu nicht ein. 


Minettis Grab habe ich nicht gefunden.



(*) Hier geht es auf die Seite der Freien Universität mit der Videoaufzeichnung der Antrittsvorlesung von Rainald Goetz. Allen, denen die Mosse Lecture mehr  gefallen hat, wird auch die Antrittsvorlesung gefallen, obwohl sie ohne Diedrich Diederichsen ist und Rainald Goetz (wie übrigens auch DD) nicht frei spricht, sondern einen ausformulierten Text abliest. Aber wie er das tut, ist sehenswert. 

Montag, 28. Mai 2012

Kugelsicher



Sonntag, 15:13. Der schöne Mann von der Zuckmayer-Brücke weiß auch nicht, was die Polizisten da machen, und ödet mit Sprüchen wie: Die haben sich gelangweilt beim Karneval der Kulturen, deshalb sind sie hierher gekommen. Der Mann mit den Hosenträgern hat einen osteuropäischen Akzent. Ich habe im Vorbeigehen etwas gehört mit Geld, sagt er. Vielleicht ist einer der Frauen die Handtasche gestohlen worden. – Wegen eines Handtaschenraubs so ein Polizeieinsatz?


Die hat ja überhaupt keine Brüste, sagt der schöne Mann über eine Polizistin, die zu einem Einsatzkommando von Schwarzgekleideten gehört. – Ich weise den schönen Mann wegen seiner sexistischen Bemerkung zurecht: Sie ist hier nicht als Frau, sondern als Polizistin und deshalb gehen dich ihre Brüste nichts an.  – Der schöne Mann hört auf, die Polizistinnen zu kommentieren, macht aber weiter abfällige Bemerkungen über die Anwesenheit der Polizei im allgemeinen. – Er ist ein alter Mann, sage ich zum Mann mit den Hosenträgern. Er kommt aus einer Zeit, in der Polizisten als Feinde betrachtet wurden. – Ohne Polizei geht es nicht in einer großen Stadt, sonst hat immer der Stärkere recht, sagt der Mann mit den Hosenträgern.


Das Kind ist wieder aufgetaucht. – Was für ein Kind? – Das Kind ist wieder aufgetaucht, hat eben einer der Polizisten gesagt. – Kurz darauf gibt es die Information, dass das verloren gegangene Kind bei seinem Vater aufgetaucht ist. – Familienmelodram? Ein Kind ist von seiner Mutter abgehauen, weil es zu seinem Papa wollte, den die Mama weggeschickt hat? – Der schöne Mann ist jetzt dafür, dass den Eltern die Kosten für den unnötigen Polizeieinsatz in Rechnung gestellt werden. Doch wie es aussieht, ist es den Polizisten lieber so, als wenn sie nun den Volkspark durchkämmen müssten, um das Kind zu suchen. Ein Streifenwagen kommt angefahren, der Polizist auf dem Beifahrersitz hängt sich mit seinem Oberkörper aus dem Fenster und breitet die Arme aus, um einen Kollegen zu begrüßen.  Das fotografiere ich nicht, das ist mir zu volkstümlich. Ich beobachte eine der Polizistinnen und sage zum schönen Mann: Wir können alleine schon deshalb nichts gegen die Polizei haben, weil sie inzwischen solche Mitarbeiterinnen hat. – Er folgt meinem Blick: Die andere ist aber auch nicht schlecht, sagt er und meint eine zweite Polizistin, die auch schwarze Einsatzkleidung trägt. – Was haben die eigentlich für merkwürdige Oberteile? fragt der schöne Mann. – Ich: Kugelsichere Westen, nehme ich an. – Er: Wozu? – Ich: Damit sie geschützt sind. – Er: Aber wie soll man dann zu ihrem Herzen dringen, wenn sie solche Dinger tragen? 



Darf ich Polizisten fotografieren, ohne sie um ihr Einverständnis gebeten zu haben? – Als Privatmenschen nein? Als Polizisten im Einsatz (wegen des öffentlichen Interesses) ja?  - Den schönen Mann darf ich nicht fotografieren. Was ein Jammer ist, denn er ist wirklich ein schöner Mann.

Sonntag, 27. Mai 2012

Stimmungsbilder


Das Beklemmende putzig.


Der Schrecken behaglich.


Das Elend wohlig.


Das Bizarre hübsch.


Das Düstere gefällig.


After all (is said and done).


Habe ich beim ersten Besuch gar nicht mitgekriegt, dass es eine Empore gibt bei BlainSouthern.


Epische Stimmungsbilder:


Ausstellung noch bis 7. Juli.



BlainSouthern
Potsdamer Straße 77–87
10785, Berlin
030 6449 31510
Berlin@blainsouthern.com
Kunst: Ó Jonas Burgert
Fotos: Ó w.g.

Extensions



Die Pferde sind dreizehn und sechzehn Jahre alt. Sie waren im Einsatz bei einer Goldenen Hochzeit. Sie haben die Kutsche gezogen, in der das Ehepaar zum Maritim Hotel in der Stauffenbergstraße gefahren wurde, wo die Feier stattfindet. 


Die Frau und die beiden Männer haben nichts dagegen, dass ich sie und die Pferde fotografiere und beantworten gerne meine Fragen. 


Pferde und Menschen haben die Begegnung mit mir und meiner Kamera unbeschadet überstanden. Und ich bin verblüfft, wie schnell das Verladen der Tiere geht.


Gustav Schöne Fuhrunternehmen. Weiße offene und geschlossene Kutschen, Landauer, historische Kutschen, zwei Pferde, vier Pferde, ein volles Programm.



Weiter zum Schöneberger Ufer. Galerie Esther Schipper. Die Ausstellung, die ich mir noch mal anschauen wollte, wird gerade abgebaut. Der Mann, auf den ich treffe, hat einen französischen Akzent und wir verstehen uns gut, bis ich ihn frage, ob ich ihn fotografieren darf. – Nein. – Dann eben nicht. Kann ich die Abbausituation zeigen? – Nein, denn ich weiß nicht, ob der Künstlerin das recht ist. – Der Mann ist einer der ältesten Mitarbeiter der Galerie, seit fünfzehn Jahren dabei. Ich erzähle ihm von nordamerikanischen Indianern, die überzeugt waren, dass ihnen ihre Seele geraubt wird, wenn sie fotografiert werden, und das dann auch mit Waffengewalt verhindert haben. – Der mir sympathische Franzose meint, dass er das gut verstehen kann, und fängt an, mir zu erklären, warum. Ich unterbreche ihn: Ich habe das sarkastisch gemeint, als ich das von den Indianern erzählt habe, sage ich. Das sei ihm schon klar, erwidert er. Und dennoch … . Ich höre nicht hin. Als er fertig ist, erzähle ich ihm, wie zornig ich werden kann, wenn jemand sich nicht von mir fotografieren lassen will. Er lacht und fürchtet sich nicht. Ich will auch keine Drohung aussprechen, sage ich. Ich will nur mir und ihm erklären, warum ich in solchen Fällen so ausrasten kann, dass es mich jedes Mal wieder selbst wundert. Ich nehme an, was mich so aufbringt, ist die Unaufgeklärtheit, das Nicht-Verstehen der digitalen Techniken: Der mittlerweile universell verbreiteten digitalen Fotografie, die nichts anderes ist als eine Erweiterung (Extension) unserer Augen und unseres visuellen Gedächtnisses. Und des Internets, das nichts anderes ist als ein öffentlicher Speicherort dieses Gedächtnisses und insgesamt nichts anderes als eine Erweiterung (Extension) des öffentlichen Raumes. Sie verbieten mir ja auch nicht, Sie so, wie Sie jetzt vor mir stehen, auf meiner Netzhaut abzubilden und mich später an Sie zu erinnern, sage ich zur Verdeutlichung. Was nicht nötig gewesen wäre, denn er hat verstanden, was ich meine und reagiert jetzt nur deshalb so gereizt, weil er sich nicht von mir belehren lassen möchte. Wollte ich doch gar nicht. Mein Selbstverständnis wollte ich ihm darlegen. Streit kriegen wir deswegen nicht. Er spricht nun darüber, wie oft wir fotografiert werden, ohne es mitzukriegen, wenn wir uns an den touristischen Plätzen Berlins aufhalten. Ich beteuere, dass ich immer frage, bevor ich Leute fotografiere. Er sagt, vielleicht sollte ich das besser lassen. – Zu fragen? Hätte ich denn vorhin einfach loslegen sollen? – Achselzucken. Kann sein, meint er damit. – Dann hätten wir nicht dieses Gespräch gehabt und  er hätte mir nicht diesen Ratschlag geben können, allerdings auch nicht geben müssen, weil ich dann ein anderer wäre. Aber ich bin nun mal der Typ, der fragt und und manchmal nicht kriegt, was er will, aber immer ein Gespräch hat. Wie dieses. Gutes Gespräch. 

Samstag, 26. Mai 2012

mensch/künstler

Wir haben uns bei der Vernissage von White Cubes update12 getroffen, wo er einer von 47 ausstellenden Künstlern ist. Christoph Damm. Ausstellung noch bis zum 3. Juni.


Das ist das Foto, bei dem er gemurrt hat, als ich es ihm zeigte. Außerdem ist es unscharf.


Auf dem Foto hat er sich besser gefallen.


Alles andere ist nachzulesen in Künstlerschicksal 1 + 2  oder: Umstände, Umstände, und keine Geschichte. Es hat nicht nur an mir gelegen. Egal, es ist draußen und es kann weiter gehen. Ab jetzt wird alles besser.

Freitag, 25. Mai 2012

Donnerstag, 24. Mai 2012

Scheibe



Das ist der schöne Tag heute um 15.47 Uhr vor Norberts Laden, wo ich am liebsten stehen geblieben wäre, weil es so entspannend war, aber ich musste nach Hause, die Texte lesbar machen, die übrig geblieben sind von der Geschichte, die nichts geworden ist.


Das ist die üppig bewachsene Baumscheibe vor Norberts Laden. Von ihm bepflanzt und gepflegt und deshalb so üppig bewachsen, weil der Baum genügend Sonnenlicht durchlässt, also nicht so gut dasteht.

Die übrig gebliebenen Texte gibt es ab morgen.

Mittwoch, 23. Mai 2012

Berlin


Die Stadt ist hart. Das meint die Gesprächspartnerin auch. Ich will nicht wehleidig sein und sage: Aber sie ist gerecht, sie ist schlecht zu allen und das sagen auch alle. Auch da stimmt mir die Gesprächspartnerin zu. Aber wer ist die Stadt? Die Gesprächspartnerin weiß nicht, worauf ich hinaus will. Und dann bin ich selbst einen Moment überrascht von der Antwort: Wir! Wir sind die Stadt, die schlecht ist zu uns allen. 

Prada


Gestern Premiere in Cannes:
Roman Polanski
Helena Bonham Carter
Ben Kingsley
ein Schuh
ein Traum
ein Mantel
eine Therapie



Question: Oh doctor, what does it mean?
Answer: Prada suits everyone.

Dienstag, 22. Mai 2012

Pingelig


Aufgeregt gewinkt hat sie und gerufen: Ich möchte Sie einladen. – Einladen? – Nicht nur zu einem Kaffee. Ich meine, richtig einladen. – Weil ich an dem Tag schon genug gesehen und gehört hatte, habe ich gesagt, ich komme demnächst mal bei Ihnen vorbei und jedes Mal, wenn ich daran dachte, habe ich gerätselt, wozu kann die mich denn einladen, die Frau aus dem Keramikladen, die Töpferin? Ich habe doch schon über sie und ihren Laden geschrieben.



Sonntag komme ich zufällig vorbei, Laden geschlossen, aber sofort sehe ich es, wozu sie mich einladen will - und bin enttäuscht. Natürlich nicht von ihr, wie sie gestern meinte, als ich ihr das erzählte. Von der Dramaturgie bin ich enttäuscht. Von der zu einfachen Erklärung und die Ausstellung interessiert mich auch nicht, so wie ich das sehe in dem Schaufenster. Aber weil ich damals noch keine Kamera hatte, als ich die Töpferin vorgestellt habe, gehe ich heute hin, um Fotos von ihr zu machen, und dann kann sie mir erzählen, was es auf sich hat mit der Ausstellung. Doch dann:




So ein kleiner Laden und eine ganze Woche Vorbereitung für eine Ausstellung? 
Das fragt der Richtige. Mehr als drei Wochen habe ich gebraucht, um zu merken, dass eine Geschichte, an der ich geschrieben habe, keine ist.
Nicht lange her, da hast du drei Jahre gebraucht, bis du gemerkt hast, dass eine Geschichte keine ist.
Keine Liebesgeschichte war das. Jetzt war es keine Schreibgeschichte.
Der Fehler ist trotzdem immer der gleiche. 
Sag ihn mir nicht.
Umstände, Umstände, aber keine Geschichte.
Was soll das heißen?
Und zu pingelig bist du auch.
Ich weiß.
Viel zu pingelig. Das ist der Grund für den Misserfolg.
Wenn es so einfach wäre.
Ist es.
Nicht.
Weil du so pingelig bist.  



Schluchz!

Montag, 21. Mai 2012

5 Euro


Haben Sie es nicht kleiner, fragt sie angestrengt und wie stets ohne zu lächeln. Nicht, weil sie für Lächeln nicht bezahlt wird. Ich habe schon gesehen, wie sie gelächelt hat mit anderen Kunden. Nur für mich gibt es prinzipiell kein Lächeln. Vielleicht hasst sie ihren Vater und ich bin im gleichen Alter wie er. Keine Ahnung.
Nein, tut mir leid. Ich habe es nicht kleiner, antworte ich und es tut mir wirklich leid, weil ich jetzt den 50-Euro-Schein wechseln (anbrechen) muss, was ich gerne noch hinausgezögert hätte. Aber es macht nun mal 2 Euro und ich habe nur 1 Euro 80 klein. Ich vergewissere mich und dann halte ich ihr zum Beweis mein Kleingeld hin. Das mache ich, weil ich zu ihr gerne eine ebenso entspannte Geschäftsbeziehung hätte wie zu ihren Kollegen.
Sie legt den 50-Euro-Schein in die Kasse und entnimmt ihr einen 20-Euro-, zwei 10-Euro-Scheine und drei Euro in Münzen. 
Während sie mir das Geld gibt, bitte ich sie um eine Tüte. Nicht für das Geld, für die Ware.
Ich habe in der rechten Hand die Geldscheine und in der linken die Münzen, ein 1-Euro- und ein 2-Euro-Stück. Wegen der Schwierigkeit der Geschäftsbeziehung zu ihr sage ich nichts. Ich halte ihr nur das Geld hin, das sie mir gegeben hat, damit sie es selbst sieht.
Das dauert. Nach Abschluss des Zahlungsvorgangs hat sie sich nämlich gleich ihrem Terminal zugewandt und guckt nun ganz konzentriert, weil sie da vielleicht was Wichtiges zu tun hat und weil sie keine Sekunde länger sich mit mir abgeben will, schon gar nicht, indem sie Tschüss sagt, wenn ich mich verabschiede. 
Aber nun stehe ich da immer noch mit dem Geld in der Hand und sage nichts, und das kann ihr trotz ihrer Konzentration auf den Bildschirm nicht entgehen, dass ich etwas will, und das ist jetzt nicht die Tüte.
Sie weiß auch sofort, wo sie hingucken muss, als sie ihre Augen vom Bildschirm abwendet. Da schaut sie mir nicht ins Gesicht: Was gibt’s noch? Da blickt sie sofort auf meine Hände mit den Geldscheinen und den Münzen. Fragend der Blick: Was ist da? – Jetzt sieht sie es und gibt mir wortlos die fehlenden fünf Euro - einen Schein - und wendet sich sogleich wieder ihrem Terminal zu mit der wichtigen Sache, die sie da zu tun hat. 
Ich stecke das Geld ein und wiederhole meine Bitte um eine Tüte.
Ach so, die Tüte, sagt sie, gibt mir eine und zieht sich wieder zurück in ihre wichtige Sache, indem sie ihrem Kollegen nun eine Frage zu der Sache stellt.
Froh, es sofort gemerkt zu haben, dass sie mir fünf Euro zu wenig herausgegeben hat, und nicht der Trottel zu sein, für den sie mich vielleicht hält, verzichte ich darauf, Tschüss zu ihr zu sagen und ihr damit weiteren Stress zu machen, wo sie sowieso schon jedes Mal an ihren Alten erinnert wird, wenn sie mich nur sieht. Aber vielleicht hat sie auch ihren Vater nie kennengelernt und sie ist in einem Waisenhaus aufgewachsen, wo Kinder, die ein anderes Kind bestohlen hatten, von der Heimleitung der Gerichtsbarkeit der Kinder überlassen wurden und das glaubt niemand, der nicht selbst in einem Heim war, was die dann mit den Dieben angestellt haben. Vielleicht erinnere ich sie an jemand aus dem Heim. Vielleicht hat sie sich auch einfach nur vertan. 

Sonntag, 20. Mai 2012

Feuilletonistin


Sie hat mir erzählt, dass sie jetzt ein iPhone hat und übermorgen fliegt sie zur Frieze, die dieses Jahr zum ersten Mal in New York stattfindet. Ich habe meinen Blog erwähnt, als sie mich fragte, was ich so mache, und habe ihr meine Karte mit der Blogadresse gegeben. Vor drei Wochen war das. 

Heute kommt sie mir strahlend entgegen und ich weiß gar nicht mehr, ob sie Hallo gesagt hat, bevor sie mir eilends mitteilte, sie sei noch nicht dazu gekommen, meinen Blog zu lesen. Da schon hätte ich ihr am liebsten den Ton abgedreht, denn sie zu unterbrechen ist mir nicht gelungen, einen solchen Drang hatte sie, mir zu erzählen, dass sie meine Karte mit der Blogadresse sich so hingelegt hat auf ihren Schreibtisch, dass sie sie immer vor Augen hat, aber sie sei einfach noch nicht dazu gekommen, in meinen Blog reinzuschauen, denn wenn sie es tut, dann will sie sich dafür Zeit nehmen. – Jetzt endlich ich: Dass ich sie mag. – Und jetzt nicht mehr? – Nein, das geht parallel weiter. Aber unabhängig davon muss ich feststellen, wie dämlich das von dir ist, mir zu sagen, dass du meinen Blog  n i c h t  gelesen hast. Sag mir, wenn du ihn gelesen hast, oder sag nichts, aber bitte nicht, dass du ihn nicht gelesen hast. Ich begrüße dich ja auch nicht mit den Worten: Ich habe den Artikel, den du über die Frieze geschrieben hast in der taz nicht gelesen. Das mit ihrem Artikel habe ich in Wirklichkeit nicht gesagt, es ist mir eben erst eingefallen, nachdem mir klar geworden ist, wie es tatsächlich war. Nicht dämlich. Geschickt war es von ihr. Eine dieser kleinen Alltagsverlogenheiten, die das Leben von Leuten wie ihr so viel leichter machen. Sie hatte im Blog gelesen, genug, um eine Meinung zu haben. So wie ihre Meinung ist, wollte sie sich aber lieber nicht auf einen Dialog mit mir einlassen. Zu anstrengend. Daher wollte sie verhindern, dass es zu diesem Dialog kam, als sie mich sah. Daher die Dringlichkeit, daher der Energieaufwand, mit dem sie mir mitteilte, dass sie den Blog nicht gelesen hatte. Blöd und lästig bleibt es dennoch für mich. Genauso wenig, wie ich hören will, dass sie meinen Blog nicht gelesen hat, will ich miterleben, wie routiniert sie mit Leuten wie mir umgeht als gestandene Feuilletonistin. Gerade weil meine Sympathie für sie parallel weiterbesteht.

Es war ein Fehler, ihr die Karte mit der Blogadresse zu geben und den Eindruck entstehen zu lassen, es wäre mir wichtig, dass sie liest, was ich schreibe, wo ich selbst höchstens alle drei Jahre mal einen Artikel von ihr lese. 

Gäste



Samstagnachmittag in Mitte.


Aula der ehemaligen jüdischen Mädchenschule mit Berlin-Besucherin.


Rauchen ist cool. Garten von Clärchens Ballhaus.


Setzt du bitte mal deine Sonnenbrille auf, Charly?


Charlotte macht gerade Abitur in Heidelberg.