Haben Sie es nicht
kleiner, fragt sie angestrengt und wie stets ohne zu lächeln. Nicht, weil sie
für Lächeln nicht bezahlt wird. Ich habe schon gesehen, wie sie gelächelt hat
mit anderen Kunden. Nur für mich gibt es prinzipiell kein Lächeln. Vielleicht
hasst sie ihren Vater und ich bin im gleichen Alter wie er. Keine Ahnung.
Nein, tut mir leid. Ich
habe es nicht kleiner, antworte ich und es tut mir wirklich leid, weil ich
jetzt den 50-Euro-Schein wechseln (anbrechen) muss, was ich gerne noch hinausgezögert hätte. Aber es macht nun mal 2
Euro und ich habe nur 1 Euro 80 klein. Ich vergewissere
mich und dann halte ich ihr zum Beweis mein Kleingeld hin. Das mache ich, weil ich zu ihr
gerne eine ebenso entspannte Geschäftsbeziehung hätte wie zu ihren
Kollegen.
Sie legt den 50-Euro-Schein in die Kasse und entnimmt ihr einen 20-Euro-, zwei 10-Euro-Scheine
und drei Euro in Münzen.
Während sie mir das Geld
gibt, bitte ich sie um eine Tüte. Nicht für das Geld, für die Ware.
Ich habe in der rechten
Hand die Geldscheine und in der linken die Münzen, ein 1-Euro- und ein
2-Euro-Stück. Wegen der Schwierigkeit der Geschäftsbeziehung zu ihr sage ich
nichts. Ich halte ihr nur das Geld hin, das sie mir gegeben hat, damit sie es
selbst sieht.
Das dauert. Nach Abschluss
des Zahlungsvorgangs hat sie sich nämlich gleich ihrem Terminal zugewandt und
guckt nun ganz konzentriert, weil sie da vielleicht was Wichtiges zu tun hat und
weil sie keine Sekunde länger sich mit mir abgeben will, schon gar nicht,
indem sie Tschüss sagt, wenn ich mich verabschiede.
Aber nun stehe ich da immer
noch mit dem Geld in der Hand und sage nichts, und das kann ihr trotz ihrer
Konzentration auf den Bildschirm nicht entgehen, dass ich etwas will, und das ist
jetzt nicht die Tüte.
Sie weiß auch sofort, wo
sie hingucken muss, als sie ihre Augen vom Bildschirm abwendet. Da schaut sie
mir nicht ins Gesicht: Was gibt’s noch? Da blickt sie sofort auf meine Hände
mit den Geldscheinen und den Münzen. Fragend der Blick: Was ist da? – Jetzt
sieht sie es und gibt mir wortlos die fehlenden fünf Euro - einen Schein - und
wendet sich sogleich wieder ihrem Terminal zu mit der wichtigen Sache, die sie
da zu tun hat.
Ich stecke das Geld ein und wiederhole meine Bitte um eine Tüte.
Ach so, die Tüte, sagt
sie, gibt mir eine und zieht sich wieder zurück in ihre wichtige Sache,
indem sie ihrem Kollegen nun eine Frage zu der Sache stellt.
Froh, es sofort gemerkt zu haben, dass sie mir fünf Euro zu wenig herausgegeben hat, und nicht der Trottel zu sein, für den sie mich vielleicht hält, verzichte ich darauf, Tschüss zu ihr zu sagen und ihr damit weiteren Stress zu machen, wo sie sowieso schon jedes Mal an ihren Alten erinnert wird, wenn sie mich nur sieht. Aber vielleicht
hat sie auch ihren Vater nie kennengelernt und sie ist in einem Waisenhaus aufgewachsen, wo
Kinder, die ein anderes Kind bestohlen hatten, von der Heimleitung der Gerichtsbarkeit der Kinder überlassen wurden und das glaubt niemand, der nicht selbst in
einem Heim war, was die dann mit den Dieben angestellt haben. Vielleicht erinnere
ich sie an jemand aus dem Heim. Vielleicht hat sie sich auch einfach nur
vertan.