Freitag, 4. Mai 2012

Kunstmagazin



Und in das Wasser unter der Brücke habe ich die Köpfe von Ertrinkenden gemalt.
Schön, sage ich begeistert.
Die waren doch schon tot, sagt die liebenswürdige Frau, die der gute Geist der Galeristin ist, die mir kurz zuvor entgegenkam und wir haben uns gegrüßt, aber so, dass es nicht zu ertragen war.
Dann trieben da Wasserleichen? frage ich.
Nein, nein, wehrt die Künstlerin ab, die die Ertrinkenden gemalt hat in das Wasser unter der Brücke und damit verfremdet den von einem Fünfeuroschein kopierten Ausschnitt, so wie sie Details aus anderen Euroscheinen verfremdet hat.
Die meisten Besucher der Ausstellung, in der sie diese Arbeiten  zeigte, haben nicht erkannt, dass es Details von Geldscheinen sind. Und eben das wollte die Künstlerin, dass die Leute diese Erfahrung machen: etwas, das sie täglich vor Augen haben, nicht wiederzuerkennen, wenn es ihnen in einem anderen Kontext begegnet. Mit diesem Erlebnis konnte jedoch niemand etwas anfangen und viele wünschten sich, mehr von dem zu sehen, was sie von der Künstlerin kennen und wofür sie sie schätzen: handwerklich fein gearbeitete Zeichnungen und Malerei, und nicht so etwas Konzeptionelles.

Die Künstlerin hat heute ihre Haare zu einem Zopf geflochten. Ich frage sie, ob ich sie fotografieren darf. - Bloß nicht! Sie sagt, ich könnte für ein Kunstmagazin schreiben, und meint damit, dass sie möchte, dass ich über sie schreibe wie ein Kunstmagazin. Ich antworte, dass ich nicht wie ein Kunstmagazin schreiben will, und meine, wenn sie nicht einmal bereit ist, sich von mir fotografieren zu lassen, dann schreibe ich auch nicht über ihre Arbeiten. Das hatten wir mit anderem Text (*) vor ein paar Monaten schon einmal. Wir sind uns treu geblieben. Am besten wäre, wir würden uns diese Treue mit einem Strick an unsere Hälse binden wie einen Stein von der Brücke auf dem Fünfeuroschein, um uns dann gemeinsam im Wasser unter der Brücke zu ertränken.

(*) Inga und Brrrrrrrrr.