Freitag, 12. August 2011

Genau

Frau Lehmann  Deckfarben auf Karton 22 x 17 cm 1965


Da malt er seiner Münchner Zimmerwirtin diesen roten Schatten ins Gesicht und findet es heute noch gut, was er mit Luise Lehmann da gemacht hat als Kunstakademie-Student. Aber wenn über ihn geschrieben wird - natürlich verkürzend, verdichtend, zugespitzt -, dann wird er pedantisch und überreicht eine beidseitig beschriebene DIN A4-Seite mit Anmerkungen. – Ist der nicht mehr ganz dicht? – Antwort: Genau ist er. Sehr genau und sehr ernsthaft. Und ich weiß jetzt gar nicht, was ich machen soll. Auf jeden Fall die Schreibung von Winterfeldtplatz korrigieren im Posting Brausewind. Gut, dass er mich darauf aufmerksam gemacht hat, dass Winterfeldt mit dt geschrieben wird. Ich will nicht wissen, an wie vielen Stellen das falsch geschrieben ist im Blog. Aber all die Präzisierungen, die er sich wünscht: München hat ihm gefallen, nur die Münchner nicht mit ihrem penetranten Lokalpatriotismus. Er hat nichts gegen Bildtitel, es kann allerdings sein, dass sie den Blick auf ein Bild verengen. Die Beziehung war nicht seine erste große Liebe, sondern eine erste langjährige Liebesbeziehung. Etc. Ach, und mit nee will er nicht zitiert werden, statt dessen soll ich dafür nein schreiben …  – Was mache ich damit? Ihm den Gefallen tun und seine zwei Seiten Anmerkungen abschreiben und hier in einen Anhang stellen? Kann ich ihm nicht einen anderen Gefallen tun? - Wie wäre es damit: Ich zeige noch ein paar Bilder von dir und du wählst sie aus? - Nee, nee, such lieber du die Bilder aus.  

Möbliertes Zimmer    19 x 23 cm    Erstes Skizzenbuch 

Als erstes Bild wähle ich eine Zeichnung. Sie zeigt das möblierte Zimmer, in dem Wolfgang wohnte bei der Witwe Lehmann in München, Implerstraße 28. Gut hatte er es da. Zu gut. Ganz vernarrt war sie in ihn, die Luise Lehmann. So dass er froh sein konnte, als er weg war von ihr nach seinem Umzug nach Berlin. – War sie in dich vernarrt als Sohn-Ersatz oder als  Mann? – Eher als Mann. Sie kam dann nach Berlin, um mich zu besuchen. Unangemeldet stand sie vor der Tür. Hier bin ich! – Und du? – Habe ihr Berlin gezeigt. War ihr aber alles zu dreckig hier und zu unordentlich. Gab ja noch jede Menge Ruinengrundstücke Mitte der 60er Jahre. – Da hast du Glück gehabt, dass ihr Berlin nicht gefallen hat. – Kann man sagen. Ein Jahr nach meinem Auszug ist sie gestorben. – Vor Kummer wegen dir? – Keine Ahnung. - Wie alt? - 70. Sie hat mir die Einrichtung des möblierten Zimmers hinterlassen. Wollte ich aber nicht. – Luise Lehmann. Gibt auch eine Rötelzeichnung von ihr; nur leider nicht in digitaler Kopie. Und noch eine Zeichnung, wie sie eingenickt ist auf einem Stuhl. Da hat sie endlich mal still gesessen, sagt er, als er mir das Blatt zeigt. Ganz unschuldig daran, dass sie sich in ihn verliebt hat, wird er nicht gewesen. 24, 25 war er da und wahrscheinlich viel zu nett.  

Wolfgang und die alten Damen. Das noch und dann gut mit Schmeding: In ihren letzten Lebensjahren wohnte seine über 90jährige Mutter bei ihm. Hat überraschend gut funktioniert. Trotzdem redete sie schlecht über ihn. Wenn eine Frau bei ihm übernachtete, wartete sie, bis sie in der Küche mal alleine mit ihr war und dann zog sie über ihn her: Wie sein Vater ist der! Später hat er sich das dann so erklärt, dass sie damit die Frauen vertreiben wollte, um ihn ganz für sich zu haben. Eines Morgens ist sie dann nicht zum Frühstück gekommen. Da hatte er schon eine Ahnung. Er klopfte an ihre Tür. Nichts hat sich gerührt. Er trat ins Zimmer, ging zum Fenster, um es zu öffnen, und vermied dabei den Blick zum Bett, weil er da schon wusste, was los war. Frieda nennt er sie, wenn er über sie spricht. Er das jüngste ihrer drei Kinder. Ein Familienmensch. Hätte ich nicht von ihm gedacht. - Wenn ihr eure Freunde richtig kennenlernt wollt, geht hin und interviewt sie. Und dann schreibt über sie. Richtig lernt man einen Interviewpartner nämlich erst kennen, wenn man über ihn geschrieben und er es gelesen hat. Mit Wolfgang ist es noch mal gut gegangen. 

Zweites Skizzenbuch 29 x 20 cm 








Bilder: © Wolfgang Schmeding