Montag, 15. August 2011

Totalitär

Die großen Jungs übernehmen. Frank Schirrmacher in der FAZ, indem er die Überschrift eines Daily Telegraph-Artikels des Thatcher-Biografen Charles Moore ins Deutsche übersetzt: "Ich beginne zu glauben, dass die Linke recht hat". Und in Der Spiegel Thomas Huetlin mit seiner lebensnahen Analyse des Konsumverhaltens in England. Schlussverkauf in der HölleSo gingen sie trotzdem shoppen wie die Beckhams. Allerdings mit einem Flammenwerfer in der Hand statt der schwarzen Karte von American Express.  – Feuilleton. Aber glaubt nicht, dass das unwichtig wäre. –  Frühe Nuller-Jahre. Er über Marx promoviert und Aristoteliker, sie die große Welt von Kunst, Film und Mode bei einer kleinen, aber wichtigen linken Zeitung. Ich, der ewige Adorno-Leser: Verblendungszusammenhang, Neoliberalismus die letzte Ideologie, Totalitarismus des Marktdenkens. Wird ebenso zusammenbrechen wie der Ostblock, aber das Ende wird grausamer sein. Die beiden werden sich daran nicht mehr erinnern, denn jetzt sehen sie es bestimmt genauso wie es in der FAZ steht und im Spiegel, und deshalb ist es auch so wichtig, dass es da steht, damit alle das jetzt genauso sehen und sagen können. Damals hat er nur mit leiser Stimme, im Ton von Bestürzung zu mir gesagt: Das ist naiv, und dann hat er mit ihr bedauernde Blicke gewechselt, weil sie sich getäuscht hatten über das intellektuelle Format ihres Gesprächspartners. Von mir. Das war der Triumph der Ideologie, dass sie eine Welt von Tatsachen geschaffen hatte, über die seriöserweise ebenso wenig diskutiert werden konnte wie über das Wetter. – Geständnis: Ich habe hinterher weniger an den beiden als an mir gezweifelt. Ich habe mein Denken nach Irrtümern abgesucht und nach veralteten Denkmustern. Dass ich keine finden konnte, habe ich mir mit Defiziten meiner Intelligenz erklärt. Das war das Totalitäre des Neoliberalismus. Der Kreml in den Köpfen.

Übel   
Sie kommt mir entgegen mit schmerzverzerrtem Lächeln. Das Lächeln ist wegen unserer langen Bekanntschaft. Das Schmerzverzerrte ist wegen dem, was ich über ihren Mann geschrieben habe. Ich sage, Hey! und ihren Namen. Wir gehen aneinander vorbei. Hätte ich stehen bleiben sollen? Nein, ich hatte schon das richtige Gespür, dass sie das nicht wollte.  Weil sie nicht wollte, dass ich über den Dialog schreibe, den wir gehabt hätten? – Ach, wir hatten schon so viele Dialoge, die ich unerwähnt gelassen habe. – Oder weil sie es mir übel nimmt, was ich über ihren Mann geschrieben habe? – So übel war das doch gar nicht. Offenbar wird es mir übel genommen, dass ich überhaupt über ihn geschrieben habe. Damit habe ich nicht gerechnet. Ich hatte angenommen, er sieht es wie ich: Gut oder schlecht, Hauptsache, sie reden über dich. Reden sie gut, machst du irgendetwas falsch. Reden sie schlecht, muss es etwas geben, das du richtig machst. – Bitte beachten: Ich verlinke hier nicht zu dem, was ich über ihn geschrieben habe. So wie ich über den Dialog mit ihr Stillschweigen bewahrt hätte, wenn er zustande gekommen wäre. – Hätte ich wirklich Stillschweigen bewahrt? – Wäre auf den Dialog angekommen. – Schon besser, dass sie weitergegangen ist.

Falsch
Er freut sich auch nicht, dass er mich sieht. Und das verstehe ich sofort. Da habe ich einen Fehler gemacht, indem ich einer anderen Person erzählt habe, was er über die andere Person gesagt hat. Das habe ich getan, um die andere Person zum Reden zu bringen, und während ich es gemacht habe, hatte ich schon kein gutes Gefühl dabei und habe mich hinterher beruhigt damit, dass die beiden sowieso nicht mehr miteinander reden. Deshalb würde ich schon damit durchkommen dieses eine Mal, habe ich gedacht, und dass ich das nie wieder machen werde, weitertragen, was einer über einen anderen gesagt hat, auch wenn es für mein Gefühl harmlos ist wie in diesem Fall. Aber da die andere Person empfindlich reagiert hat und ihn zur Rede gestellt auf eine Art, die ich nicht näher bezeichne, um nicht alles noch schlimmer zu machen, deshalb war es nicht mehr harmlos. Das habe ich eingesehen und ihn um Entschuldigung gebeten. – Das kommt von dem Gefasele in deinem Blog, sagte er, dann schon einlenkend. – Gefasele? Okay, du kannst das sagen, du hast was bei mir gut, habe ich geantwortet. Er hat sogar noch viel mehr gut wegen der Verlegenheit, in die ich ihn gebracht habe. Der Vorwurf des Gefaseles hat mir dann keine Ruhe gelassen. Ja, es ist schon manchmal ein Gefasele hier. Manchmal aus Schwäche, manchmal, weil ich das Gefasele brauche als Anlauf. Rate, rate! Was ist heute der Grund?

Patriarchalisch
Sie, eine andere Sie, wäre jetzt eigentlich die nächste Gesprächspartnerin zum Thema deutsche Frauen und die patriarchalische oder, wie Mini Kapur es formulierte, maskuline Kultur Deutschlands. Nach der Frau aus Indien und der Frau aus Frankreich als nächste eine nordamerikanische Frau. Doch daraus wird nichts, da brauche ich gar nicht zu fragen - da kann ich gar nicht fragen. Wegen ihres deutschen Patriarchen. Deshalb überspringe ich das und mache so bald wie möglich gut, was ich gestern angerichtet habe mit meinem Gefasele über deutsche Frauen, indem ich nicht mehr über sie, sondern mit ihnen reden werde. Über das deutsche Patriarchat.