Donnerstag, 4. August 2011

Särge

Die Beklommenheit weggeschwommen. Dafür reichte eine knappe Stunde. Scheußlich war es trotzdem. Der graue Himmel lässt die Anlage des Freibades in der Forckenbeckstraße noch schäbiger aussehen - und die Gegner im Becken noch furchterregender. Ein Gegner ist eine Art Oberregierungsrat, aber das sage ich ihm nicht; wortlos weiche ich ihm jedes Mal aus, wenn er vor mir auftaucht mit seiner dunkelbraun gebrutzelten Glatze. Ein anderer ist gar kein richtiger Gegner, es tut nur weh allein schon beim Hinsehen, was der Mann sich antut mit seinem Gezappel. An Verbündeten waren heute da: die preußische Gräfin, die ab jetzt Helga heißt; nach vier Jahren haben wir uns endlich bekannt gemacht. Und: der Mann mit dem schönen Namen. Vorname Peter plus Nachname eines Mitglieds der Mannschaft, die 1954 in Bern Fußball-Weltmeister wurde. Der Nachname ist nicht Turek oder Walter und auch nicht Eckel oder Liebrich. Eines Tages werde ich ihm von meinem Blog erzählen und ihn fragen, ob ich ihn namentlich darin erwähnen darf. Heute hat er mir beim Duschen eine detaillierte Beschreibung des Weges zum Hallenbad in der Seydlitzstraße gegeben, dann aber gemeint, das werde wohl nichts nützen, weil ich mich in der Gegend (Tiergarten) bestimmt nicht auskenne. – Ein bisschen schon, habe ich gesagt. Ich habe mal vor sehr langer Zeit in der Rathenower Straße gewohnt. Wenn auch nur kurz. Ich war froh, als ich da wieder weg war. – Nun musste ich erklären, warum. – Warum? Weil da so viele alte Leute lebten und es gab auch tatsächlich an jeder dritten Ecke ein Geschäft mit Särgen. – So war es. Aber ich hatte es noch nicht ganz ausgesprochen, da habe ich gemerkt, wie daneben diese Bemerkung war. Denn erstens ist es nicht mehr lange hin, dann bin ich selbst nicht mehr ein älterer, sondern ein alter Mann. Und zweitens ist der Mann mit dem schönen Namen jetzt schon ein alter Mann und damit noch näher bei den Särgen als ich. Was ihm allerdings nicht anzusehen ist. Bevor ich es erfahren habe, dass er schon deutlich über 70 ist, habe ich ihn für Ende 50, Anfang 60 gehalten. Das liegt an seinem Gesichtstyp (jungenhaft), vor allem aber wohl daran, dass er jeden Tag eine Stunde schwimmt – seit seinem elften Lebensjahr! Damals hat er mit seinen Eltern in der Bergmannstraße gewohnt und ist jeden Tag mit dem Fahrrad zum Olympiastadion-Bad gefahren zum Schwimmen oder Wasserballtraining. – Er hat dann meine Bemerkung überspielt, indem er meinte, in der Nähe großer Krankenhäuser gäbe es auch auffallend viele Sarggeschäfte. Und hinterher habe ich mir einzureden versucht, dass er sich vielleicht weniger nah bei den Särgen fühlt, als ich es tue, und ich mich mit meiner groben Bemerkung mehr getroffen habe als ihn.

Keine Rückmeldung von der Künstlerin mit dem Atelier in Pankow. - Panikdenken: Woher kriege ich Bilder für den Blog, wenn mir die KünstlerInnen ausgehen? – Antwort: Ich brauche einen Fotoapparat. Bilder heute wären gewesen:

Bild 1
Zwei Pfirsiche aus Brandenburg. - Mit dem Betreff: Pfirsich-Alarm hat die gute Caty Schernus mir gestern gemailt, dass sie zwei Pfirsiche für mich zurückgelegt hat. Nur 15 Stück hat sie gehabt (wegen der Frostnächte während der Pfirsichbaumblüte). Kommen Sie am besten gleich morgen vorbei, damit sie nicht zu weich werden, hat sie geschrieben und heute habe ich mir die beiden kostbaren Früchte abgeholt und mich herzlich bedankt. 

Bild 2
Blick durch ein Souterrainfenster auf einen Tisch, auf dem ein Rost mit einem Bügeleisen steht. Leuchtendes Kontrolllämpchen. Bügeleisen eingeschaltet. Der Schneider so leichtsinnig oder so vergesslich oder so gelassen, dass er sein Bügeleisen nicht ausgeschaltet hat, als er kurz mal wegging. Oder er ist da und gerade mit etwas beschäftigt, bei dem er nicht gestört werden will. Oder er reagiert nicht auf mein zweimaliges Läuten, weil er mich nicht reinlassen will; er hat ja auch auf meine AB-Nachricht (Ich habe etwas mit dir vor!) nicht reagiert mit Rückruf. Aber wie soll er wissen, dass ich es bin, der läutet? Das kann er doch aus seinem Souterrain gar nicht sehen, dass ich vor der Haustür stehe. Was mache ich jetzt? Ihn streichen von der Liste der Leute, die mich interessieren?  Oder abwarten, bis sich das wieder gelegt hat mit meiner Panik, dass ich keine Gesprächspartner mehr finde für meinen Blog – und dann wird es vielleicht eine ganz einfache Erklärung dafür geben, dass der Schneider nicht reagiert hat, auf die AB-Nachricht nicht und nicht auf mein Läuten. – Was mache ich, wenn ich keine Gesprächspartner mehr finde für meinen Blog? - Dann war´s das mit Dialog-Blog? Dann war´s  das mit Biest  z u  Biest?  Dann schreibe ich nur noch über mich selbst? – Hast du jemals etwas anderes gemacht? –  Dann rede ich mit mir selbst. – Vergiss die Leser nicht. – Dann führe ich einen Dialog mit den Lesern und dazu schalte ich die Kommentarfunktion wieder ein. – Die du abgeschaltet hast, weil niemand sie genutzt hat. – Ich könnte einfach mal Ferien machen und nur über mich schreiben. – Dir frei nehmen von den Leuten. – Wie soll das gehen? – Keiner wird´s merken.