Jetzt ist sie da, sitzt an dem Tisch vor dem Eingang ihrer Galerie, isst eine Quarkspeise und dazu die Kekse, die für mich bereitstanden. Sie musste ihrer Tochter was in die Schule bringen, das die vergessen hatte. Die Ferien auf Ibiza mit den Kindern und der Familie ihrer Freundin waren ein Erfolg. Auf der Rückreise kam in Barcelona ihr Mann dazu; der zweite Teil ihres Doppelnamens. Im Dalí-Museum in Figueres waren sie. Wie heißt noch mal die Schauspielerin, nach deren Mund er die berühmte Couch geformt hat? Mae, Mae? – Mae West? – Mae West. – Wusste ich gar nicht, dass er mit der zu tun hatte. Mae West hatte eine Art von Sexiness, die mich nicht erreicht hat. Großartig allerdings ihre weltberühmte Zeile: Ist das eine Knarre, die Sie da in ihrer Hosentasche haben, oder freuen Sie sich nur, mich zu sehen? – Hört Liljana zum ersten Mal. Lacht überrascht. – Nach Figueres sind sie durch die Provence gefahren und dann bald nach Hause, weil das Wetter schlecht wurde. – Reisen, nur um zu reisen ist nicht mein Ding, sage ich mal wieder, damit sie das auch weiß. Dazu sage ich dann jeweils noch, dass ich mich in der Rolle des Touristen nicht wohlfühle, weil ich sie als entwürdigend empfinde. Jetzt ist Liljana verblüfft. Das sagt ihr Mann auch immer, mit den gleichen Worten. – Wie alt ist dein Mann? – Gerade 60 geworden. – Ich bin gerade 59 geworden. – Ach. – Da gehören wir zur selben Kohorte, dein Mann und ich. Gemeinsamer Erfahrungshorizont. Liljanas Mann ist Professor an der Uni in Leipzig. Heißt, wenn eines ihrer beiden Kinder etwas zu Hause vergessen hat, bringt immer die Mutter es dem Kind in die Schule. Die nächste Ausstellung in Liljanas Galerie subjectobject wird erst im Oktober sein. Aber dann gleich ein Höhepunkt: Gerit Koglin. Sie redet über ihn ähnlich begeistert wie Uliane Borchert, deren Lieblingsschüler er ist. Gerit ist besser als Neo Rauch, sagt Liljana. Er hat auch dieses Narrative wie Neo Rauch, aber bei Gerit ist es mehr auf den Punkt. – Bist du auch bei der Galerieausstellung von Uliane am Samstag? – Nein. – Sie zeigt Bilder von sich und einer Freundin. – Petra? – Gudrun. – Ach ja. – Ich wusste gar nicht, dass die auch malt. Aber was Uliane mir von ihr gezeigt hat, ist erstaunlich. – Mit Amateuren gibt Uliane sich nicht ab, sagt Liljana und lacht. Respektvoll.
Morgen zeige ich das Porträt, das ein Schüler Ulianes von ihr gemalt hat und dazu wird es nicht viel Text geben. Denn am Wochenende will ich endlich mal mit dem Fotografieren beginnen. Und Liljana wird irgendwann mal von mir porträtiert. Nicht fotografiert, beschrieben - um herauszufinden, was das ist, das den Dialog mit ihr so leicht macht.