Samstag, 28. Mai 2011

Unvollständig

Auf der Facebook-Seite für das Biest bekräftige ich den Entschluss: É finita la commedia. Und das Biest nimmt es mir nicht ab. Doch ich halte daran fest, obwohl ich weiß, wie oft ich schon abschließen wollte mit dem Blödsinn dieser Geschichte und dann ging sie doch weiter, weil sie eben nicht nur Blödsinn ist, sondern auch Schicksal, sagen die einen, pure Verzweiflung, sagen all die anderen, die mir wünschen, es wäre endlich mal gut damit. Das wünsche ich mir auch, und nachdem ich die Statusmeldung in Facebook abgesetzt habe, merke ich auch schon, wie befreit ich mich jetzt fühlen könnte. Ist aber nicht so, denn zugleich merke ich auch, welche Leere mich in dieser Freiheit erwartet. Es ist ein Vorurteil von Intellektuellen, dass man alles verstehen muss, habe ich gestern zu Peter gesagt. Armer Peter, was der sich alles anhören muss von mir. Letzten Endes, habe ich zu ihm gesagt, geht es doch nur darum, ein schlechtes Gefühl durch ein gutes zu ersetzen, eine Erzählung durch eine andere. Daran erinnere ich mich jetzt und dazu fällt mir nichts anderes ein, als dass ich eine Begebenheit in dieser Woche noch nicht erzählt habe. Im anderen Blog habe ich die Begebenheit erwähnt und meine heftige Reaktion darauf dokumentiert. Über einen wichtigen Punkt bin ich dabei hinweg gegangen. Die andere Seite, nenne ich sie jetzt mal, hatte nämlich eine Begründung gegeben für ihr Verhalten, das zu meiner Reaktion geführt hat. – Nein, ich will nicht den Rätselcharakter der Begebenheit nachbilden mit diesen allgemeinen Formulierungen und ich höre auch schon auf damit. So rätselhaft war das auch gar nicht, was da vorgestern Abend von der anderen Seite gekommen ist. Wegen der Vollständigkeit und weil es mir nicht aus dem Kopf geht, werde ich die Begebenheit in den nächsten Tagen schildern. Wenn im anderen Blog,  dann werde ich hier darauf hinweisen.

Trailer Tim
Kennst du die Stadtteilzeitung? frage ich Günter, der gerade seinen Mittagsgästen Bier serviert an den vor dem Felsenkeller stehenden Tischen. – Stadtteilzeitung?  Nee. – Nie was damit zu tun gehabt? – Nee, wirklich nicht. – Sabrina kennt die Stadtteilzeitung, sie liest sie gerne und regelmäßig. Liegt bei ihr jede Woche im Briefkasten. - Dann kann das aber nicht die Stadtteilzeitung sein, Sabrina. Denn die erscheint nur einmal im Monat, wenn ich das richtig verstanden habe. – Der Mann kommt vorbei, der der Mann ist aus dem Posting Umarmung; ich könnte wissen, wie er heißt, obwohl wir uns nie mit unseren Namen anreden. Er hat mir einmal seine Visitenkarte gegeben; verlegt. Ich laufe ihm hinterher: Hey! Ich nenne ihn jetzt mal H. Beim zweiten Hey dreht sich H. um, begrüßt mich und setzt sich dann an einen Tisch des vietnamesischen Restaurants, vor dem wir stehen geblieben sind. Ich setze mich nicht zu ihm und frage, ob er die Stadtteilzeitung kennt. – Er kennt und liest sie. – Wird die verteilt? Müsste ich die aus meinem Briefkasten kennen? – Nein, sagt er, das ist nicht so ein Anzeigenblatt. Ist aber kostenlos und liegt aus in Läden (Verteilstellen). – Aber zum Beispiel nicht bei Norbert im Schönebag, wo ich gleich hinterher mal gucke, weil ich bei dem ohnehin vorbei schauen wollte. - Ich vergesse H. zu fragen, wie die Stadtteilzeitung sich finanziert, wenn nicht durch Anzeigen oder Verkauf. Stattdessen frage ich, ob die Leute, die da schreiben, bezahlt werden. – Keine Ahnung. Wenn, dann bestimmt nur symbolisch, meint er und will wissen, warum ich ihn das alles frage. – Weil ich über jemanden schreiben will, der mir schon mehrfach stolz erzählt hat, dass er für die Stadtteilzeitung schreibt, und mich interessiert, was die Zeitung für einen Status hat, dass er so stolz ist darauf. – Und wer ist das? will H. wissen. – Tim heißt er. Amerikaner. - Und warum willst du über den schreiben? – Weil er eine interessante Person ist. Und weil mir nicht so viele interessante Personen begegnen, also wirklich interessante Personen, nicht nur aus Höflichkeit als interessant bezeichnete Personen … (fasel, fasel). Er hat einen dicken Roman geschrieben jahrelang und will ihn nicht veröffentlichen, erläutere ich die Interessantheit von Tim an einem Beispiel und könnte hinzufügen, dass er nicht mal bereit ist, mir den Roman zu lesen zu geben, und dass das einer der Gründe ist, warum ich über Tim schreiben will. - H. beantwortet mir weitere Fragen zur Stadtteilzeitung (Zum Beispiel, wo die politisch stehen. Eher grün als rot? - Eher grün, aber eigentlich nicht parteigebunden. - Mehr so bürgerinitiativ? - Ja). Während H. meine Fragen beantwortet, lässt er Tims Name einfließen, als wäre er ihm vertraut. - Du kennst Tim? - Klar, Tim Donohoe. - Du liest seine Artikel?  - Ich kenne ihn persönlich. Wir sind befreundet, sagt H. und ich frage mich, warum er das nicht gleich gesagt hat. - Woher kennst du ihn? Kneipe? Nachtleben? - Gemeinsame Freundin. - Silke? Seine Frau? - Das ist eine enge Freundin von mir, sagt er. – Durch sie habe ich Tim kennengelernt, sage ich. – Jetzt kommt noch heraus, dass er hin und wieder die zwei Kinder der beiden betreut, wenn sie einen Babysitter brauchen. Und das ist es dann auch schon. Ohne Pointe. Nur mal, wie das so geht: Recherchieren im Kiez. Und Ankündigung. Coming soon: Tim Donohoe. Ach, und Du hast immer noch die Chance, Einfluss zu nehmen auf das, was ich über Dich schreibe, Tim. Indem Du mit mir redest und mir nicht immer nur erzählst, dass meine Mail-Adresse an dem Pinboard über Deinem Schreibtisch hängt. - Auch so ein Neinsager. Allerdings einer von den Guten. Nur, dass er sich ziert wie eine Jungfrau, die schon lange keine mehr ist.