Vor ein paar Tagen im anderen Blog: Wenn ich merke, dass mich jemand manipulieren will, dann deprimiert mich das erst unendlich und danach kann es passieren, dass ich bösartig werde, bis zum Hass. Hinterher habe ich mich gewundert über die Formulierung unendlich deprimiert. Stimmt das denn, trifft es das? - So komisch es sich liest, es ist nicht anders zu beschreiben.
Nachdem ich gestern kurz nach 19 Uhr die Wohnung des Nachbarn nach einem mehr als einstündigen Gespräch verlassen habe, bin ich noch rasch in die Akazienstraße gegangen. Erst zu Norbert, um ihn zu fragen, ob ich das richtig in Erinnerung habe, dass er den Laden seit 14 Jahren hat (oder sind es 12 Jahre?). Da er schon geschlossen hatte, weiter zum Felsenkeller zu Michaela, um sie zu fragen, ob die Telefonnummer, die ich von ihr habe, noch aktuell ist, da ich sie vormittags nicht erreicht hatte und auf dem AB eine Frauenstimme mit einem Schweizer Akzent zu hören war. Maschinenstimme mit Schweizer Akzent? – Ja, mein AB hat einen Schweizer Akzent, bestätigt Michaela. Auf dem Weg hatte ich vor dem Inder Ecke Apostel-Paulus/Akazienstraße in einer Frau, die dort saß, Inge zu erkennen geglaubt. Inge ist die Mutter von Annika. Die Frau vor dem Amrit hat gelacht, als ich mich runterbeugte habe zu ihr, um sie von der Seite anzusehen, und dann gesagt habe: Verwechslung! Im Weitergehen habe ich mir überlegt, dass ich über den Besitzer des Amrit auch mal schreiben sollte, denn er ist ein wichtiger Mann in der Akazienstraße: der Moghul. So heißt sein anderes Restaurant und neben dem Moghul und dem Amrit besitzt er noch zwei (oder sind es drei?) andere Restaurants, die er verpachtet hat. Eines davon ist ein vietnamesisches Restaurant. Als ich da vorbei komme auf dem Weg zum Felsenkeller, sitzt dort die tatsächliche Inge mit ihrer Tochter Katrin, der ein Jahr jüngeren Schwester Annikas. Ich erzähle, dass ich Annika am Mittag getroffen habe und richtig erschrocken bin, als sie sagte, sie sei 29, weil mir in dem Moment klar geworden ist, wie schnell die 12 Jahre vergangen sind, die es her ist, dass ich die beiden Mädchen kennengelernt habe, die damals noch beide zur Schule gingen, als ich mit Inge zusammen war (ein knappes Jahr lang, unsere Liaison ein Missverständnis, für das wir beide nichts konnten; Inges Sohn hatte uns miteinander verkuppelt). Ich mache Inge und ihrer Tochter ehrliche Komplimente über ihr Aussehen und erkundige mich nach Katrins Freund. Er ist zum Glück schon seit einiger Zeit wieder zurück aus Damaskus, sagt sie und ich erzähle darauf, dass mir das so gefallen hat, als sie einmal über ihre Liebe zu ihm sagte, dass sie gar nicht genug von ihm kriegen kann. In dem Moment fangen ihre Augen an zu glitzern. - Och, Mensch! Was habe ich denn jetzt wieder angestellt? frage ich. Habt ihr euch getrennt? – Nein, das nicht, antwortet Katrin. Es sei nur gerade sehr, sehr schwierig mit ihm. Jetzt bemerke ich, dass die Ränder ihrer Augen gerötet sind und sie vorher schon geweint hat. Deshalb das Mutter-Tochter-Gespräch. Und da komme ich an mit meiner ahnungslosen Geschwätzigkeit. Ich murmele, ich hätte gerade ein anstrengendes Gespräch gehabt und müsse weiter. Vor dem Felsenkeller sitzt Bernd, der Raucher auf der Straße, und will mich zum Bleiben überreden. Doch das wäre zu einfach. Ich gehe nach Hause, um mir Abendessen zu machen. Ich würde dabei gerne an etwas anderes denken als an das Gespräch mit dem Nachbarn. Ich würde die Eindrücke von dem Gespräch am liebsten verdrängen. Nicht, weil es so unangenehm war, es war kein unangenehmes Gespräch, es war sinnlos, es war das sinnloseste Gespräch, das ich je ohne Alkohol- oder Drogeneinwirkung mit einem anderen Menschen, der ebenfalls nicht unter Alkohol- oder Drogeneinwirkung stand, geführt habe. Wie ein Biss in einen Filzpantoffel. Ich müsste eine stärkere Variante dieser Formulierung finden, um das Gespräch zu charakterisieren. Doch am besten wäre es, wenn ich darüber hinweggehen könnte, wie über die unbedeutende Szene mit der Frau vor dem Amrit, die nicht Inge war. Doch das geht alleine schon deshalb nicht, weil ich darüber schreiben muss. Homestory 2. Ich suche nach einer Ausflucht. Reicht es nicht, wenn ich berichte, dass ich da war, dass ich freundlich empfangen wurde, dass ich aber nur mit ihm gesprochen habe, weil sie nicht da war? Weil sie da nicht mehr wohnt, was sein könnte. Weil sie nie da gewohnt hat, weil es sie nie gegeben hat, wie er behauptet. Oder weil sie sich vor mir versteckt hat, was ich glaube, aber nicht beweisen kann, es auch gar nicht beweisen will, denn es fehlt nur noch ein winziger innerer Schritt dahin, dass es mir egal ist. Über das Gespräch zu schreiben ist nicht hilfreich bei diesem Schritt. Es ist auch nicht hilfreich, dass ich zum ersten Mal denke, dass ich mich nie auf diese Geschichte hätte einlassen sollen, dass ich sie mir hätte aus dem Kopf schlagen sollen im Sommer vor zwei Jahren, als es noch möglich gewesen wäre. Und hilfreich ist es auch nicht, dass ich mich so unendlich deprimiert fühle, wie immer, wenn ich merke, dass mich jemand manipulieren will.