Frau, die mir mal gefallen hat, ich ihr auch. Statt uns näher kennenzulernen, sind wir dann aneinander geraten in dem Laden, in dem sie arbeitet. Wegen was Geschäftlichem. Einer Reklamation von mir. Ich wollte die Schuhe, die mir erst so gut gefielen, nicht mehr haben, obwohl sie mir immer noch gefallen haben (die Schuhe waren wie für mich gemalt), aber das Leder hatte einen Geruch, von dem konnte ich mir nicht vorstellen, dass der sich verflüchtigt, wie sie mir versicherte. Das ist Hirschleder, sagte sie, das riecht am Anfang so. Kann sein, sagte ich, will ich aber nicht haben. Auf die Rückgabe bestanden. Sie darauf eingeschnappt. Sie war mir mit dem Preis entgegengekommen. Hatte gemeint, sie tut mir was Gutes. Und jetzt habe ich mich aufgeführt wie ein Idiot, in ihren Augen. Was für eine Enttäuschung, menschlich. Das kam also noch zu dem geschäftlichen Vorgang hinzu. Nein, sie konnte nicht unterscheiden zwischen dem Geschäftlichem und dem, dass wir interessiert nach einander geschaut hatten schon seit einiger Zeit. So habe ich es gesehen: dass sie diesen Unterschied nicht machen kann. Um mich gegen sie durchzusetzen, wurde ich bissig. Um mir zu zeigen, was sie von mir hielt, wurde sie zickig. Hinterher habe ich gedacht, wie gut, dass ich mitgekriegt habe, wie sie ist, ohne dass wir uns näher kennengelernt haben. Sie hat bestimmt das Gleiche gedacht. Das Bittere daran war, dass wir beide mehr davon gehabt hätten, wenn wir uns näher kennengelernt hätten und nicht schon gescheitert wären aneinander wegen eines Paars Schuhe, die innen mit Hirschleder verarbeitet waren. Sie war von da an unfreundlich, wenn ich in den Laden gekommen bin, und wenn wir uns draußen sahen, hat sie weggeguckt und nur widerwillig zurück gegrüßt, wenn ich sie gegrüßt habe. Mehr herausfordernd als freundlich, muss ich zugeben, habe ich sie gegrüßt. Nachtragend ist sie also auch noch, habe ich gedacht. Und jedes Mal, wenn ich sie sah, war ich froh, dass wir uns nicht näher kennengelernt haben. Aber jedes Mal habe ich auch gedacht, was wir für zwei Pechvögel sind, dass wir nicht mehr miteinander erlebt haben als diese blöde Geschichte.
Vorhin steht sie an der Kasse in der Back-Factory und ist immer noch nachtragend, als sie mich hereinkommen sieht. Personalwechsel an der Kasse. Deshalb steht sie noch da, nachdem ich mir eine Tüte genommen und mit der hygienischen Zange ein Weizenbrötchen hineingetan habe. Ich erinnere mich an ihren ungewöhnlichen Namen und überlege mir, wie man den schreibt. Es ist die ungarische Version des Namens eines Mädchens, mit dem ich einmal zusammen war, da war ich noch nicht einmal zwanzig. Cylla hieß das Mädchen. Back-Factory, Kasse. Ich stelle mich hinter ihr an und heute grüße ich sie nicht, weil ich vermeiden will, dass etwas passiert, über das ich dann schreiben muss, weil es passiert ist. Ich betrachte die weiße Haut ihrer Füße in ihren Sandalen, die weiße Haut ihrer Schultern und Arme, ihren Rücken in der hellen ärmellosen Bluse, die sie trägt zu weißen enganliegenden Jeans. Und dann geht sie und jetzt habe ich doch über sie geschrieben.