Donnerstag, 5. Mai 2011
Stichelei
Wenn Peter gar nichts mehr einfällt und er es mir geben will, weil ich es ihm gerade mal wieder gegeben habe, dann stichelt er, dass ich außer ihm keine Freunde habe und nicht einmal eine Frau, die es mit mir aushält. – Darauf habe ich bisher immer geschwiegen, da es ja nicht so ist, dass ich das nicht wüsste, es also nur ein niederer Beweggrund - infantile Regression? - sein kann, der ihn dazu veranlasst, mir das vorzuhalten. Als es heute wieder einmal soweit war und er ironisch feststellte, dass ich ja so viele Freunde hätte, da habe ich zum ersten Mal nicht geschwiegen und geantwortet, was ich sonst nur denke: Lieber alleine als in schlechter Gesellschaft. Diese Bemerkung habe ich bislang immer unterdrückt, a) weil es eine Platitüde ist, b) weil ich nicht den Anschein von Arroganz erwecken wollte. Er hat die Aussage dann aber gar nicht als arrogant, er hat sie als Angriff auf sich empfunden, als abschätzig gegenüber seiner Gesellschaft, und gleich angefangen, seine Gesellschaft zu verteidigen. Was nicht nötig gewesen wäre, denn ich habe gar nicht an seine Gesellschaft gedacht (an die vier Freundinnen aus verschiedenen Lebensphasen, nach neuester Zählung sind es sogar sechs Freundinnen, mit denen er in einer Art Telefon- und Besuchskonkubinat lebt, worauf er sehr stolz ist und deshalb ständig davon redet). Ich habe auch nicht an eine andere Gesellschaft gedacht, die ich nicht haben möchte. Ich habe die Bemerkung nicht in einem triumphierenden, sondern in einem melancholischen Ton gemacht. Weil ich mich inzwischen lange genug von schlechter Gesellschaft ferngehalten habe, vielleicht sogar zu lange, sodass ich die Fähigkeit verloren haben könnte, andere Gesellschaft zu finden. Da Peter aber immer gleich an sich denkt und sei es nur, indem er sich angegriffen fühlt, und er deshalb sofort seine Gesellschaft verteidigt und dann auch gleich noch die Gelegenheit ergriffen hat, auf sie stolz zu sein (auf die vier über die ganze Welt verstreuten Frauen, nach neuester Zählung sechs), kam es nicht dazu, dass ich ihm erklären konnte, wie meine Bemerkung gemeint war. Doch das machte nichts, denn ich wollte das Telefongespräch ohnehin schnell beenden. Es war mir auch zunächst gar nicht klar, warum er angerufen hatte. Willst du einfach nur kuscheln? – Ja. – So war es dann aber doch nicht? Er hatte mir zuvor ein Foto gemailt von einer seiner Freundinnen – mit dem Begleittext: ein halbes Jahr alt, unbearbeitet. Xxxxxx, 57, seit 1973 eigentlich die Wichtigste. Leider nur 1 bis 2 Mal im Jahr hier, ist Musikerin und lebt in Ecuador, aber per skype reden wir fast täglich. - Unbearbeitet! Darüber gab es gleich wieder eine Diskussion, weil der nackte Oberkörper der Frau auf dem Foto völlig entstellt ist von dem Alien-Orangeton, der mir auf Peters Fotos schon häufiger aufgefallen ist, und weil ich meinte, dass er bei Photoshop vielleicht mal nicht so sehr auf die Tube drücken sollte. Er hat darauf bestritten, das Foto bearbeitet zu haben ... . - Gähn! Schon wieder Photoshop! Wenn ich über etwas geschrieben habe, muss ich nicht mehr darüber reden. Ich wollte nur das lange Posting von gestern noch mal durchsehen und habe auf den Mann gewartet, der den Nutzbelag auf den beiden Balkonen verlegen sollte. Das ist mittlerweile geschehen. Peter wartet auf den Befund der Untersuchungen von letzter Woche. Wenn er gerade keine Angst hat, dann langweilt er sich. Ich muss immer bedenken, in was für einer Lebenslage er ist, und Rücksicht auf ihn nehmen. Das fällt mir gerade sehr schwer.