Samstag, 14. Mai 2011

Gesellschaftsleben

Konversation mit dem Unglück. Wochenrückblick. Anschließend raus und der Erste, den ich treffe, ist Amadeus. Wir freuen uns, dass wir uns mal wieder sehen, bemerken jedoch bald, dass wir uns nichts zu sagen haben. Ich spreche es aus und erkläre es mir bei ihm so, dass er gerade erst aufgestanden ist, nach fast 12 Stunden Schlaf, wie er erzählt, seit langem mal wieder richtig ausgeschlafen. Und so sieht er auch aus. Wie ein kleiner Junge sieht er aus hinter seinem Dreitagebart. – Hast du den eigentlich immer schon gehabt? – Ja. - Mir fällt wirklich nichts ein, was ich ihn fragen könnte. Zum soundsovielten Mal frage ich ihn deshalb, was für ein Jahrgang er ist. – 1950. – Und du bildest immer noch Nachwuchs für die Gastronomie aus? – Ja. – Und die Kinder? – Die Tochter macht gerade ihr Diplom. – In was? - In Biologie. Und der Sohn macht Garten- und Landschaftsbau und hat eine hübsche kleine Wohnung in Zehlendorf. – Hat er denn auch eine kleine hübsche Frau? – Nein, das kommt noch. – Wie alt? – 28. – Da wird es aber Zeit, sage ich nicht. Und: Zehlendorf? Was macht dein Sohn in Zehlendorf? das frage ich auch nicht. – Amadeus fragt, wie es mir geht. Das habe ich zuvor schon ausführlich mit dem Unglück besprochen. Das ist einer der Gründe, warum ich jetzt nichts zu sagen habe. Bemühen Sie sich nicht, ich bespreche das mit meinem Unglück. – Amadeus muss jetzt einkaufen gehen. Das tut er nicht gerne. Ich schon. – Du kaufst auch für dich alleine ein, sagt er. – Während du einen Einkaufszettel in die Tasche gesteckt gekriegt hast? – Ja. – Mit den Wünschen seiner Frau, der Isolde, denke ich mir und sage nicht, dass ich auch dann noch gerne einkaufen würde, wenn ich einen Einkaufszettel in der Tasche hätte von einer Isolde. Ich umschreibe es stattdessen mit einer meiner ältesten Schoten: Einkaufen ist meine Art von Gesellschaftsleben. Und weil ich so verbittert bin, füge ich hinzu: Es ist die einzige Art von Gesellschaftsleben, die ich habe. Und für das muss ich bezahlen.  – Mehr Gesellschaftsleben kann ich mir nicht leisten, weil dafür mein Geld nicht reicht, hätte ich noch sagen können. Aber so verbittert bin ich nun doch nicht, dass ich das sage. Obwohl es so ist.  - Konversation mit dem Unglück:

Nomade
Keine Lust, jetzt auch noch die zwei gestern in DiB geposteten Texte durchzusehen. Hatte schon genug zu tun mit den beiden BzB-Texten. Bei Entwarnung fehlte der erste Absatz (Peters Knubbel-Befund). Nachdem gestern die Störung auf Blogger behoben war, fehlte zuerst sogar der gesamte Text; war nicht mal mehr als Entwurf im Dashboard vorhanden, während der bereits am Mittwoch veröffentlichte Geschnitten-Text auf Entwurf zurückgesetzt war. Nebeneffekt der Text-Wiederherstellung: mir wird deutlich, wie schlecht das Zeug ist, ungelenk, umständlich, zu ausführlich. Wen interessiert das, wer soll sich da durchquälen durch dieses unbeholfen formulierte Zeug, wenn ich selbst schon das Durchsehen der Texte als eine Qual empfinde? – Es liegt am Sujet. Es liegt daran, dass ich das nur schreibe für mich, protokolliere meine soziopathischen Verwicklungen, nur aus einem Grund: weil es sie gibt. Immerhin habe ich damit einen Selbsttherapie-Erfolg erzielt im Laufe der Woche. Der Erfolg war die Lektion über das Nein. Aber scheußlich sind die Texte trotzdem und scheußlich ist, dass ich nichts anderes erlebe als das. Liegt es wirklich nur an mir oder bin ich nur am falschen Ort? Müsste ich einfach nur sagen, ich komme mit den Leuten hier nicht zurecht. Die können mit mir nichts anfangen, ich nichts mit denen. - Also? - Gehe ich woanders hin – und erlebe dort genau das Gleiche. Dann liegt es an mir. Oder ich mache andere Erfahrungen. Dann hat es am Ort gelegen. Ort ist Schöneberg, Zentral-Schöneberg. Sujet ist, womit ich es hier zu tun habe. Ablehnung, Befremden und im besten, im schönsten Fall, wenn es einmal mit Zauber ist, dann ist es so was von verwirrend, dass ich daraus nicht schlau werde und nichts anfangen kann damit. Das auch mal sehen, dass da nicht nur meine Wünsche nicht in Erfüllung gingen, weil es gerade nicht passte oder ich mir sowieso zu viel gewünscht habe, sondern dass ich nichts anfangen konnte damit, wie sie sich aufgeführt hat. Sie. Und auf sie komme ich jetzt nicht schon wieder, weil sie immer im Spiel ist, weil ich immer an sie denke. Auf sie komme ich jetzt, weil das mit ihr auch ein Fall von Soziopathie ist. Der einfachste Umgang zweier Menschen miteinander nicht möglich. Und damit meine ich nicht: Sie gehen mir nicht aus dem Sinn, seit sie mir da und da aufgefallen sind und dies und das gesagt haben. Damit meine ich: Hallo! Lange nicht gesehen. Wo gehen Sie denn jetzt schwimmen? Und kann es sein, dass ich Sie in der Dachwohnung gegenüber meiner Wohnung gesehen habe? Wohnen Sie da oder sind Sie da nur manchmal zu Besuch.– So, und dann wird daraus ein Gespräch und aus dem Sie ein Du oder es ist ihr lieber, wenn es beim Sie bleibt, weil sie mit meiner Art nichts anfangen kann. So wie der Sannyasin aus dem Zeitungsladen nichts mit meiner Art anfangen kann. Und das hat er mir klar gemacht, indem er mir gezeigt hat, dass er mein Duzen als eine Zumutung empfand. Was ich als einen Krampf beschrieben habe, das war tatsächlich das Zurückweisen einer Zumutung. Zumutung des Duzens stellvertretend für die Zumutung, als die er mich empfindet in meiner Art, die nicht die seine ist. Was ich bedauern kann und dann denken, wie klein und eng sind die Köpfe und die Verhältnisse, wo sie einen nur annehmen, wenn man so ist wie sie; wenn man konform ist mit ihrem Common Sense überassimilierter Provinzler, Leuten aus Dörfern und Kleinstädten, die denken, so müsse es sein, wenn man in einer Großstadt lebt. Aber da bin ich schon mittendrin in der Soziopathie, in dem Fall in meiner Soziopathie. Bestehend darin, dass ich mich verkralle in etwas, von dem ich längst hätte erkennen müssen, es geht nicht, und deshalb ziehe ich weiter irgendwohin, wo es geht, und wenn da auch nicht, dann wieder weiter, und werde dabei zum Nomaden, wenn es nirgendwo geht. Aber mache mich doch nicht krampfhaft gemein mit Leuten, die mich nicht wollen so wie ich bin. Also ist der Krampf mein Krampf so wie die Soziopathie meine Soziopathie ist. Alle sind in Ordnung und ich bin es auch, ich muss nur weiterziehen. Oder bleiben in der Rolle des Fremden. Den Einheimischen zuschauen, sie befragen zu ihren seltsamen Gebräuchen und Spaß daran haben. Wenn nicht mit ihnen lachen, dann eben über sie. - Aber warum denn bleiben? fragt das Unglück. Bin ich dir denn immer noch nicht groß genug? – Da weiß ich erst auch nicht, was ich sagen soll. Murmele: Wegen der Häuser und der Straßen? Merke, dass das nicht einmal ein Kalauer ist und dann sage ich: Weil ich noch nicht alles weiß. Weil ich noch nicht alles gesehen habe. Weil ich hier nicht weggehe, bevor ich gelacht habe. Und wohin soll ich denn gehen?