Donnerstag, 8. September 2011

Kang

passage   Öl auf Leinwand    50 x 60 cm    2010

Hochkultur-Stalinist. Dandy. Zicke. Und jedes Mal ist es eine Freude ihn zu sehen. – Hochkultur-Stalinist?  Es wird Pop-Musik gehört. Independent, Schwerpunkt Blues. Bob Dylan wird verehrt und gekannt bis in entlegene Textzeilen. Aber Pop als kulturelles Konzept wird hochmütig lächelnd abgelehnt. - Fällt der Name Jackson Pollock, wird erzählt, dass die CIA in den 50er Jahren den Abstrakten Expressionismus promotet hat als Gegenpropaganda zum Sozialistischen Realismus, und es wird so getan, als sei damit über Pollock alles gesagt. Mit der CIA-Schote, die allerdings zu stimmen scheint, wird ein Anti-Amerikanismus begründet, aber siehe oben: Blues und Bob Dylan. Und dazu noch die Verehrung für Mark Rothko, Woody Allen und Steven Spielberg. Witz! Rothko und Allen trifft zu, Spielberg nicht. Als ich ihn einmal in einen Spielberg-Film (A.I.) geschleppt habe, hat er mich jahrelang nicht mehr ernst genommen.

Am Montag zufälliges Treffen auf der Hauptstraße. Wir treffen uns immer nur zufällig. Dieses Mal allerdings wie verabredet: Heute Morgen habe ich an dich gedacht. Ich habe schon so viel über dich geschrieben (hier, hier, hier), aber es gibt kein einziges Bild von dir in meinem Blog.  – Ich schicke dir eins. – Das hätte ich jetzt nicht gedacht, dass das so einfach geht und fasse nach: Drei, schick mir mindestens drei Bilder. Eins ist zu wenig für einen Eindruck. – Gut, ich schicke dir zwei. – Vier, schick mir vier, Taewoo. Ich bemerke seine Schuhe: zerrissene beige Stoffschuhe, geschnürt. Ich bin begeistert. Er wehrt ab: Die alten Latschen trägt er zum Fahrradfahren und zum Malern (wenn er Wände streicht, nicht malt). Daher die Farbflecken. – Die will ich fotografieren, die Schuhe. – Er lacht: Nein. – Nur deine Füße mit den Schuhen und die bis zu den Waden hochgekrempelten Hosenbeine (dunkelblaue Hose). Nur das. – Er: Die Sohlen sind aus Autoreifen geschnitten. Mindestens 12 Jahre alt die Schuhe. Das war das erste Modell von Camper. – Ich: Sehr gut. Wenn ich das Foto mache, erzählst du mir, wie und wann du sie gekauft hast und dazu noch mal das mit Camper und das ist dann der Text zu dem Foto. - Er lacht, jetzt ohne Nein zu sagen. – Wann treffen wir uns, um das Foto zu machen? – Am Dienstag oder Mittwoch bin ich in Friedrichshain, um einen Raum anzugucken, wo ich im Oktober vielleicht ausstelle.  – Schön.  – Nur Zeichnungen. –  Ach ja. Dann am Donnerstag. Ich rufe Dich vormittags an. – Er lacht wieder. Er könnte auch sagen: Ich weiß wirklich nicht, was das soll.  – Ich sage: Komm, du wirst sehen, das macht Spaß. Ich denke: Und bei der Gelegenheit kann ich dir gleich noch ein paar Fragen zu den Bildern stellen, die du mir schickst. Denn Atelierbesuch, das will er nicht, das ist ihm zu intim. Und über seine Bilder reden will er aus Prinzip nicht. Aber ich weiß, wenn ich ihm Fragen stelle, beantwortet er sie. Doch dazu muss es erst mal kommen. Wenn ich seine Füße mit den verrotteten Camper-Klassikern fotografiere.

Gestern Abend Mail von Taewoo. Im Anhang zwei Bilddateien und am Ende der Mail: das treffen morgen möchte ich gerne absagen. lg t. - Morgen ist es ohnehin zu kühl für Deine Campers. Aber am Samstag soll es 27 Grad warm werden. Samstag? Komm, sei kein Frosch! schreibe ich ihm zurück, und dazu noch, dass ich splitted images nr. 14, das eine der beiden Bilder, wunderbar finde. Nicht um ihn einzuwickeln, schreibe ich das, ich bin beeindruckt. Vom Sprung, den er gemacht hat, seit ich zum letzten Mal Bilder von ihm gesehen habe. Wie er in den letzten Jahren gearbeitet haben muss, um dahin zu kommen. Von wegen Sonntagsmalerei, wie mal ein Maler-Kollege meinte, ich verrate nicht wer, aber ich gebe zu, dass ich da gegrinst habe und ihm nicht widersprochen. Und jetzt bin ich voller Bewunderung. Dafür, wie sehr das Bild Taewoo ist. Da ist alles drin: der Stalinist, der Dandy, die Zicke, seine Verspanntheit, der Hochmut, das Geziere, seine Sturheit. Und es zeigt sich, dass es nicht verkehrt sein kann, so zu sein, wenn daraus so eine Schönheit entsteht. Das Bild ist schön, es ist wunderschön. Es geht mir nicht aus dem Kopf, schon den ganzen Tag nicht.

splitted images nr. 14    Öl auf Leinwand    60 x 50 cm   2008/2011

Und der Satz geht mir auch nicht aus dem Kopf: das treffen morgen möchte ich gerne absagen.  – Am Mittag rufe ich Taewoo an. Ich brauche noch eine Angabe zu den Bildern: Acryl oder Öl auf Leinwand? Und: Was sollen uns die beiden Jahreszahlen bei splitted images nr. 14 erzählen? Will ich wissen, ist aber auch ein Vorwand, um ihn in ein Gespräch zu verwickeln.
Anrufbeantworter. Ich hinterlasse eine Nachricht mit den Fragen zu den Bildern und dann sage ich, völlig ungeplant: Vergessen wir das mit dem Treffen für das Foto. Dazu mache ich noch eine bittere Bemerkung darüber, dass es keinen Sinn hat, wenn er nicht will. Bitter die Bemerkung, weil ich denke, dass er nur abgesagt hat, weil er auf keinen Fall über die Bilder sprechen möchte. Aber über die Bitterkeit bin ich inzwischen auch hinaus. Er will nichts sagen. Er braucht nichts zu sagen. splitted images Nr. 14 steht für sich selbst. Beim anderen Bild weiß ich noch nicht. Aber das hat er mir auch nur geschickt, weil ich ihn so bedrängt habe. Er wollte mir nur ein Bild schicken.

Biografische Daten Taewoos, mehr Bilder und ein Foto von ihm: Prozessgalerie. Noch mehr Bilder auf seiner Website: www.t-kang.de
Bilder: © Taewoo Kang