Mittwoch, 28. September 2011

Zwilling

Die eine der beiden Schwestern (mit Brillant über dem linken Nasenflügel) an der hinteren Kasse.  Die andere (mit Brillant über dem rechten Nasenflügel) macht Pause, sitzt neben dem Vordereingang und isst eine Mandarine. Da will ich nicht stören. Erst mal einkaufen. Zwei Birnen und ein Pfirsich. Es wird der letzte sein in diesem Jahr. Die Saison ist vorbei. Von den beiden Pfirsichen, die ich tags zuvor gekauft habe, war der eine heute Morgen faul. Als ich das sah, habe ich gedacht: Jetzt. Am besten heute eine der Schwestern ansprechen. Denn von nun an werde ich nicht mehr drei-, viermal die Woche bei Öz Gida sein, erst im Winter wieder, in der Orangen-Saison. Als ich den Supermarkt verlasse, sitzt der Zwilling mit dem Brillanten rechts immer noch neben dem Eingang und hat die Mandarine aufgegessen. Ich zögere, da ich keinen Einstieg habe (kein Gerüst) und: wenn sie Nein sagen wird, kann ich das so ohne weiteres wegstecken an diesem auch so schon nicht einfachen Tag? – Ich bin schon drei Schritte weg, da mache ich kehrt und gehe zu ihr hin. Sage Hallo. Sage Blog, erkläre kurz Blog, sage, dass ich einen Blog schreibe über mich, aber noch viel lieber über andere Leute. Über Leute in meiner Umgebung, die mir gefallen oder die ich interessant finde. Sage, dass ich vor ein paar Wochen entdeckt habe, dass sie eine Zwillingsschwester hat, die auch bei Öz Gida arbeitet, dass ich fasziniert bin von ihnen und sie fotografieren möchte und mit ihnen reden, um sie vorzustellen in meinem Blog. Während sie mir zuhört, kneift sie ein Auge zu, als müsste sie in die Sonne schauen. Aber ihr gegenüber stehe ich. Die Sonne scheint links von mir, das Sonnenlicht fällt seitlich ein, kann sie nicht blenden. Und was antwortet sie? – Nein. – Nein? – Nein, das will ich nicht, fotografiert werden. – Wir können auch einfach nur reden. Das muss nicht sein mit dem Fotografieren. – Nein, Danke der Nachfrage, sagt sie. – Nachfrage? Wenn sie Danke der Nachfrage sagt, dann kann ich jetzt auch sagen: Ich hätte euch ein bisschen berühmt gemacht. – Was für ein dämlicher Satz! Und dann auch noch: ein bisschen. Aber darauf kommt es jetzt nicht mehr an. Nein ist Nein. Und das ist völlig in Ordnung, es geht nur noch darum, ihr zu zeigen, dass es in Ordnung ist. Mich nicht abrupt abzuwenden und bei ihr den Eindruck zu hinterlassen, ich sei eingeschnappt oder enttäuscht von ihr. Ich bin nicht enttäuscht. Hätte sie Ja gesagt, wäre ich überrascht gewesen und hätte mich gefreut. Dass sie Nein gesagt hat, ist das, was zu erwarten war. Nur, dass sie Danke der Nachfrage sagen wird, das war nicht vorherzusehen. Das ist es, was heraus gekommen ist bei der Aktion: dass ich jetzt weiß, dass sie die Frau ist, die Danke der Nachfrage sagt in so einem Fall - und dass sie weiß, wie ich damit umgehe, wenn ich was von ihr und ihrer Schwester will und sie Nein sagt. Wie sich das anhört: Wenn ich was von ihr und ihrer Schwester will. Doch so war es nun mal, auch wenn es nicht viel war, was ich von den beiden wollte. Und jetzt geht es mir beim Schreiben so wie es mir ging, als ich vor ihr stand, nachdem sie zweimal Nein und ein Mal Nachfrage gesagt hatte und ich mich nicht abrupt abwenden wollte, obwohl nichts mehr zu sagen war, und ich ihr nur zeigen wollte: Es ist gut. Anders wäre besser gewesen. Aber so ist auch gut. Statt einer großen nun eben eine kleine Geschichte. Das war sie.

Außerdem in Das innere Biest: Crowdfunding 2.