Donnerstag, 29. September 2011

Reste


Die letzten Tage der Glühbirne Digitalprint auf Acrylglas
5-teilig  28 x 50 x 50 cm  2010

Gondwana. Das ist die kleine Galerie in der Merseburger Straße mit der schwarzen Tafel neben dem Eingang. Und auf der Tafel steht: Mittwoch 27.9., 20 Uhr/ Vernissage/ Helga Wagner/ Was bleibt!? /Bilder und ObjekteVernissagen sind nicht mein Ding, ich schaue mir Ausstellungen lieber an einem anderen Tag an oder mache Atelierbesuche. Aber ich möchte die Galeristen kennenlernen: Klaus Karwat und seine Partnerin. Die Partnerin ist Klaus Karwats Frau und heute Abend nicht da. Sie wollte ich kennenlernen wegen ihres schönen Namens: Maria Genau. Und Herrn Karwat will ich kennenlernen, weil er im August so kooperativ war und mir auf meine telefonische Anfrage umstandslos eine digitale Kopie des Gemäldes geschickt hat, das ich vormittags im Schaufenster der Galerie gesehen hatte und über das ich dann nachmittags schreiben wollte. Das Bild habe für einiges Aufsehen gesorgt damals, erzählt er, und es sei dann auch schnell verkauft gewesen. – Für wie viel? – Zum festgesetzten Preis. 2600 Euro. – Die Gäste der Vernissage sind in der Mehrzahl Frauen. Unter ihnen: Dr. Brigitte Stamm, Uliane Borchert und Anita, eine sehr gern gesehene Nachbarin von mir. Brigitte Stamm will ich erzählen, warum ich zur Vernissage gekommen bin, doch schon nach dem ersten Satz unterbricht sie mich: Sie brauchen mir nicht zu erklären, warum Sie hier sind. – Frau Stamm, ich weiß, dass ich Ihnen das nicht zu erklären brauche. Ich mache gerade Konversation mit Ihnen. - Das ist ein für uns typischer Dialog. Zu Beginn unserer Bekanntschaft war ich noch befremdet, inzwischen genieße ich diese Dialoge. – Die Nachbarin hat die ausstellende Künstlerin in einem Eiscafé kennengelernt, und obwohl Helga Wagner damals einen Fuß in Gips hatte, ist sie mit Anita den weiten Fußweg zu ihrem Atelier gehumpelt, um ihr ihre Arbeiten zu zeigen, und Anita war begeistert. -  Uliane gefällt ein Triptychon, das in dem Korridor hinter dem großen Ausstellungsraum hängt, an einer weißen Wand, die Helga Wagner vor der Ausstellung selbst gestrichen hat, damit das Triptychon zur Wirkung kommt. Mit den Digitalprints auf Acrylglas mit dem Titel Die letzten Tage der Glühbirne hat Uliane die Schwierigkeit, dass sie die Glühbirnen nicht erkennt, obwohl es alles leuchtende Glühbirnen sind. Guck hier, da glüht sie, die Birne! Sieht man schon von weitem, sage ich. Nein, sie kann die Glühbirnen nicht sehen, sagt sie und ich verstehe. Mit den anderen Arbeiten kann ich auch mehr anfangen. Und am besten gefällt mir das Objekt mit den an Kupferdraht baumelnden Alabasterstückchen. Der Titel des Objekts ist zugleich der Name der Ausstellung: Was bleibt !? Und das ist auch die Formel des künstlerischen Verfahrens von Helga Wagner. Was bleibt, das ist das Material, das sie findet, Reste, Übriggebliebenes. Das kann alles sein, Hölzer, Glas, Kupferdraht, ein Stein oder das, was von einem Stein übrig bleibt: Sand. In vielen ihrer Bilder arbeitet sie mit Sand. Was ich in die Finger kriege, damit arbeite ich und mache daraus Kunst. Aber es muss durch meine Finger gehen. Heißt: Sie denkt sich nicht aus, was sie mit dem Material gestalten kann. Sie geht mit dem Material um und lässt ihre Finger denken. Als sie mir das genauer erklären will, unterbreche ich sie: Schon verstanden. Mache ich auch so. Versuche es wenigstens. Nicht denken, schreiben, erzählen. Die an Kupferdraht baumelnden Alabasterstückchen sind übrig geblieben von der Bearbeitung eines Alabastersteins, den Helga Wagner gefunden und gestaltet hat zu einem fünfeckigen Objekt. Die Fünfeckigkeit in der Rohform des Steines angelegt, von ihr herausgearbeitet, deutlich gemacht. So geht das. Bei Gondwana ausgestellt sind kleinere Arbeiten Helga Wagners. Ihre großen Objekte und Installationen wären hier nicht unterzubringen gewesen, die will sie in ein paar Wochen zeigen in ihrem Atelier, aus Anlass des Schöneberger Atelierrundgangs. Dann mehr über ihre Kunst der Resteverwertung. 

Vernetzungen   Acryl, Sand, Kreide auf Leinwand
210 x 180 cm    1992


In Wirklichkeit schärfer:  Was bleibt!?
Alabastersteine, Kupferdraht, Acrylglas
49 x 50 x 50 cm  2009

Helga Wagner
Was bleibt!?
Bilder und Objekte 

Merseburger Str. 14
10823 Berlin - Schöneberg 
0151/56 50 49 67
030/754 555 02          

Bild und Fotos: © Helga Wagner