Mittwoch, 7. September 2011

Beleidigte

Bereits der dritte Versuch über die Beleidigte. Wenn ich sie sehe, dann möchte ich ihr helfen. Am liebsten hingehen und zu ihr sagen, komm, jetzt sprich es aus! Aber dann war gestern ihr kleiner Sohn bei ihr, den hat sie gerade in den Kindergarten gebracht. Kein guter Moment, um auf sie zuzugehen. Sie ist mit ihrem Fahrrad und dem Kinderanhänger vorgefahren vor dem Haus nebenan. Sie hat zu mir hergeschaut, als ich die Haustür aufgeschlossen habe und sie bemerkte mit ihrem Gesicht. Jetzt schon fast vertraut dieses Gesicht, das sie macht, wenn sie mich sieht. Am einfachsten zu beschreiben als beleidigte Miene. Es könnte aber auch sein, dass das Gesicht Verachtung ausdrückt oder Abscheu oder ganz allgemein einen Unwillen, der sich in ihr regt bei meinem Anblick. Deshalb wäre es das Beste, wenn sie aussprechen würde, was sie hat. Nur wenn es Verachtung oder Abscheu ist oder ganz allgemein ein Unwille, braucht sie nichts zu sagen. Dann kann ich ihr nicht helfen, dann muss sie ertragen, dass es mich gibt und was ich getan habe: über sie zu schreiben und über ihren Mann unter Einbeziehung eines Freundes der beiden. Der Mann und der Freund auch beleidigt oder voll Verachtung, Abscheu, Unwille. Mich schneidend der Mann. Der Freund auf eine Art mich grüßend, dass ich ihm demnächst vorschlagen werde, uns den Krampf zu ersparen. Was für Leute! Dass sie nicht sagen können, was es für ein Unrecht war, das ich ihnen zugefügt habe. So werde ich es nie erfahren. Aber vielleicht soll ich es gar nicht erfahren von ihnen. Vielleicht ist es die Absicht des Gesichtes, das sie macht, des Mich-Schneidens des Mannes, der Verhaltensstörung des Freundes, mich zu bestrafen mit dem Gesicht, dem Nichtbeachten, der Verhaltensstörung, und damit ist schon alles getan. Der Rest bleibt mir überlassen. Ich soll mir mal überlegen, wie es kommt, dass die Beleidigte, die immer eine der mir liebsten Personen war, jetzt stumm bleibt, wenn ich ihr wie gestern Guten Morgen zurufe. So wird es sein: Ich soll mir überlegen, was für ein Unrecht ich ihnen angetan habe und dabei soll ich mich quälen, Reue empfinden, am Ende noch Buße tun, zu Kreuze kriechen. Das ist es. Christentum. Reue, Buße, Kreuz. Um Vergebung bitten für meine Sünde. Deshalb sagt die Beleidigte nicht guten Morgen, deshalb übersieht mich der Mann, deshalb demonstriert mir der Freund der beiden das Unbehagen, das ihn befällt bei meinem Anblick. - Uff! Das war nicht leicht, das war Strafarbeit. Und die Mühe hat sich nicht einmal gelohnt. Der Text ist lausig und das Ergebnis, zu dem er kommt, ist traurig: Wenn es das ist, was die Beleidigte will, dann kann ich ihr wirklich nicht helfen.