Freitag, 30. September 2011

Blickwechsel

Am besten angezogen: Die Frau mit der lässig weiten weißen Hose und der dunkelblauen Adidas-Jacke. Mädchenhafte Erscheinung in meinem Alter (59). Gerade abgeschnittene lange blonde Haare. Kann das denn sein, dass sie immer noch ihre Naturhaarfarbe hat? An den Händen, am Hals und an den Augen erkennt man das Alter. Bei ihr sieht man es an den Augen. Umschattet, Lider leicht gerötet. Volles, weiches, strähniges blondes Haar. Der Friseur war nicht billig, der das gemacht hat.

Sehr Elegant: Rattig geschnittene Bob-Frisur. Haare schwarz. Gefärbt? Schwarze Hornbrille. Großgeblümtes Sommerkleid. Viel Rot auf Weiß. Grauer dünner Mantel. Offen. Die Handtasche passend zum Kleid. Am oberen Rand ein Zierstreifen aus dem gleichen Stoff und mit dem gleichen Muster. Aber warum steht das Kleid vorne so weit ab? Umstandskleid? Schwanger? Aus dem Alter ist sie doch schon raus. Das ist ein Look. Sie hat sich schön gemacht. Es ist ihr gelungen.

Offensive Sexiness einer Endfünfzigerin: Jeans. Helles Beige. Neue Jeans. Der Klassiker, keine Röhrenjeans. Schmaler Beinverlauf. Die Waden und Schenkel wie eingepackt. Ist das Stretch? Der leichte Elasthananteil sorgt für ein optimales Tragegefühl? Hauteng. Das Gesäß wie ausgestellt. Exponiert. Hintern an der Grenze zum Riesenarsch. In Schwarz wäre die Hose dezenter. Aber Unauffälligkeit ist nicht gewollt. Die Frau ist stolz auf ihren Hintern und sie will zeigen, dass sie ihn hat.  

Schöne stumme Szene: Ihr Blick, mein Blick. Ihr Blick der jungen Frau hinterher. Kurzer Rock, blickdichte schwarze Strumpfhosen, dunkelbraune Stiefel. Lange schlanke Beine, große Frau. Einen Kopf größer als ich. Zwei Köpfe größer als sie, die ihr hinterher guckt wie ein Kerl, nur auf die Beine. Mein Blick folgt ihrem Blick. Sie bemerkt, dass ich sie beobachte. Kurzer Blickwechsel. Keine Verständigung. Wir haben die gleichen Interessen. Aber wir sprechen nicht darüber.