Mittwoch, 1. Dezember 2010

Angebot

Der Freund zeigt mir seinen Kunstbesitz. Einen Teil davon. Ich frage nach den Preisen, die er für die Bilder gezahlt hat. Komme beim Mitrechnen auf eine Summe von um die 60 000 Euro. Betrachte die Kunst. Figurative Malerei. Fotografie. Künstlerische Verarbeitung von Realität. Und ich denke, das mache ich doch auch. Realität verarbeiten in meinem Schreiben über mein Leben. Zeitung über mich selbst. Zeitung von mir. Jeden Tag. Künstlerisch? So würde ich es nicht nennen. Aber experimentell. Entwicklung einer Schreibweise. Schöne Arbeit. Viel Arbeit. Aber kein Geld, sage ich dem Freund und frage, ob er meinen Blog liest. – Nein. Keine Zeit. – Ich sage, wenn er einen Blog schreiben würde, dann würde ich den vielleicht nicht jeden Tag lesen, aber einmal die Woche bestimmt. – Im weiteren Gespräch bemerke ich, dass er Informationen einstreut, die er nur aus meinem Blog haben kann (z.B. kein Alkohol im türkischen Supermarkt). Mehrere solche Informationen. Da hat er wahrscheinlich, kurz bevor wir uns getroffen haben, doch hineingeschaut in meinen Blog. Will mir nun aber die Ehre nicht erweisen, mir das zu sagen. Warum eigentlich nicht? – Vielleicht weil ihm mein Blog nicht gefällt oder weil er mit der Textform nichts anfangen kann. – Trotzdem setze ich mir in den Kopf: Den Freund als Sponsor gewinnen. Wenn er seine Wände schmückt mit beim Kunsthändler gekauften Bildern, dann kann er sich doch auch schmücken damit, dass er meine Arbeit am Blog finanziell unterstützt. – Beim nächsten Treffen: Liest du inzwischen meinen Blog? – Nein. – Ich erkläre ihm das Konzept meines Blogs. Ich skizziere ein Geschäftsmodell für den Blog. Um irgendwann dahin zu kommen, dass der Blog sich selbst von Werbung finanzieren kann, brauche ich einen Sponsor oder mehrere. – Dem Freund gefällt mein Geschäftsmodell. Aber, wendet er ein, so einen Blog kann doch jeder schreiben. – Ich muss lachen. Das ist der Freund. Das ist schlau gekontert. Er liest den Blog nicht. Er denkt, so einen Blog kann doch jeder schreiben. Er hat mich ins Leere laufen lassen. Dennoch deutet er beim Abschied an, dass wir das Gespräch zu dem Thema fortsetzen können, wenn er demnächst wieder in Berlin ist. In Vorbereitung des nächsten Gesprächs erkläre ich ihm in einer Mail, warum ich nicht glaube, dass so einen Blog, wie ich ihn schreibe, jeder schreiben kann. - Er erwähnt bei nächster Gelegenheit, dass er nun doch nicht so bald nach Berlin kommen wird. – Meine finanzielle Situation wird eng und enger. Ich weiß niemanden anderen, der mir helfen könnte als der Freund. - Bei einem Mail-Wechsel teilt er mir mit, dass er Ende November in Berlin sein wird. Ob ich am 22. oder 23. am Abend Zeit habe? – Bis dahin überlege ich mir, was ich einem Sponsor anbieten kann als Gegenleistung. Welchen Nutzen er ziehen kann daraus, dass er mir Geld zahlt für das Schreiben des Blogs, darüber hinaus, dass ich ihn als Sponsor auf der Eröffnungsseite des Blogs nennen würde. Meine Idee ist sehr einfach und naheliegend, aber nicht blöd. Ich schreibe über mein Leben. Der Sponsor wird als Sponsor ein Teil meines Lebens. Heißt, der Sponsor erscheint im Blog, er wirkt mit in der Fortsetzungsgeschichte über mein Leben, die ich im Blog täglich veröffentliche. Da er Sponsor ist, wird das Biest zwar nicht aufhören, ein Biest zu sein, aber es wird ihm mit Wohlwollen begegnen. Der Freund hat ein starkes Repräsentationsbedürfnis. Porsche fahren, Kunst sammeln, präsent sein bei Musik-Ereignissen. Jetzt kann er sich obendrein als ein Sponsor meines sympathischen kleinen bösen Blogs präsentieren in der Rolle eines Geldgebers, der mir dabei hilft, aus dem kleinen bösen Blog einen großen bösen Blog zu machen. Wie er mitwirken kann, wie ich ihn hineinziehen werde in die Fortsetzungsgeschichte meines veröffentlichten Lebens, darüber habe ich bereits konkrete Vorstellungen, aber selbstverständlich kann er auch seine eigenen Vorstellungen entwickeln. Wenn er das Prinzip erst mal verstanden, wenn er den Blog verstanden, wenn er Spaß daran gefunden hat. Das ist die Voraussetzung. Wenn er den Blog weiterhin mit Geringschätzung betrachtet, dann hat mein schönes schlichtes Konzept keinen Sinn. Dann müssen wir nicht weiter darüber reden. Aber dann soll er mir das auch sagen. So bitter es für mich sein wird, denn voller Geringschätzung hat sich noch keiner geäußert über den Blog. Das müsste ich erst mal wegstecken. Würde ich aber schon schaffen, was dabei lernen. Für den Blog. Und es wäre auch ein Ereignis im Blog. Finanziell eine Niederlage. Aber ein Ereignis im Blog, wie ich damit umgehe. Wie, weiß ich nicht. Auf jeden Fall würde ich davon erzählen. Spannend. Ich brenne auf das Gespräch mit dem Freund am 22. oder 23. November, Montag oder Dienstag. Ich warte auf eine Mail oder einen Anruf von ihm. Ich wundere mich am Sonntag, dass er sich noch nicht gemeldet hat. Ich erwarte am Montag stündlich seinen Anruf. Als ich gegen 18 Uhr nicht mehr damit rechne, dass wir uns am Abend treffen werden, gehe ich einkaufen. Auf dem Weg zum Supermarkt wird mir plötzlich klar, dass der Freund sich auch am nächsten Tag nicht melden wird. Dass er weiß, dass ich ihn noch einmal auf ein Sponsoring ansprechen will, und dass er sich dem entzieht, indem er sich nicht meldet. Er versteckt sich vor mir. - Stimmt das? –Fortsetzung folgt.