Mittwoch, 22. Dezember 2010

Versteckspiel

Anruf bei Pegasus, meiner Agentur, um bei Fabian eine Rechtsauskunft einzuholen. Fabian ist Anwalt für Medienrecht. Nur heute schon in den Weihnachtsferien. Wäre er dagewesen, hätte meine erste Frage gelautet: Was hat der arme Maxim Biller falsch gemacht in Esra, dass sein Roman verboten wurde? Also wie weitgehend hätte er seine im Roman beschriebene Ex-Freundin und deren Mutter anonymisieren/fiktionalisieren müssen, damit die beiden ihn nicht hätten belangen können wegen Verunglimpfung ihrer Personen im wirklichen Leben? – Zusammenhang ist klar: Schlub. Am liebsten wäre es mir, ich könnte auf das Versteckspiel verzichten und die Geschichte ganz offen und authentisch weiter schreiben. Dem Schlub deshalb schon letzte Woche geschrieben, dass er sich melden soll, um uns den Dialog fortsetzen zu lassen. Er darauf zurück: Er meldet sich, wenn ich die Möglichkeit habe, das in Ruhe zu tun. Bevor er nach Xxxxxxxxx fliegt, hat er nämlich noch Etliches abzuarbeiten. - Was heißt? Wenn er die Möglichkeit nicht hat, meldet er sich nicht? Und das mit dem Abarbeiten des Etlichen und dem Fliegen nach Xxxxxxxxx, will er mir damit zeigen, dass es nun mal Wichtigeres gibt für ihn als den Dialog mit mir? – Meine Pingeligkeit. Kein Mensch ist so kompliziert, wie ich denke? – Kann sein. Kann nicht sein. Finde es heraus! Frage ihn. Meine Mail von gestern Abend: Wann hast Du sie denn nun endlich mal, die Ruhe, die Du haben willst, um Dich zu melden bei mir. Warte auf Deinen Anruf. Ende der Woche fliegst Du doch bestimmt nach Exotien, wie ich Xxxxxxxxx nennen werde in meiner Erzählung von meiner Beschäftigung mit Dir und meinem Erlebnis mit Dir. So nennen werde wegen Anonymisierung Deiner Person, die ich Dir selbstverständlich garantiere. Aber besser, viel besser wäre es, ich würde mich dazu nicht genötigt sehen, sondern Du würdest vorkommen können in meinen Texten als der, der Du bist, und mitmachen in den Texten und es würde Dir gefallen mitzumachen. Das jetzt ist die interessanteste und intensivste Erfahrung, die wir je miteinander gemacht haben. Sei nicht faul! Mach mit! Und hab Vertrauen! Du musst nur Du selbst sein, dann kann Dir nichts passieren. Ende Mail. – Wenn mir mal jemand so was schreiben würde! – Gedanke von heute Morgen: Gleich, was ich von ihm halte, gleich, was er von mir hält, es hat etwas zu bedeuten, dass er in meinem Leben ist und ich in seinem. – Was hat es zu bedeuten? – Das, was wir daraus machen. Aus diesem Schlamassel, den wir zusammen angerichtet haben. - Vorstellung von heute Morgen: Eine Erzählung, die monologisch beginnt, mit dem Ziel, einen Dialog herzustellen, und die mit diesem Dialog endet. Wenn das gelingt, wird aus dem anonymisierten der tatsächliche Schlub, der sich der Konfrontation stellt mit meinem Text. Der sich wehrt. Doch nicht, indem er sich empört gegen meine Sicht und dass ich überhaupt eine Sicht von ihm habe. Sondern der sich bekennt zu sich selbst, sich erklärt, richtigstellt. Mit mir streitet. So lange, bis der Text stimmt für ihn genauso wie für mich. Das meine ich mit mitmachen. Er wird es nicht tun.