Wegen Konfusion und Unkonzentriertheit heute nur ein Hinweis. Auf den Text von Peter Kern, der gestern in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung stand und dann für alle auf FAZ.NET: Im Liebeswahn ertrunken. Peter Kern kenne ich aus Fassbinder-Filmen (u.a. Faustrecht der Freiheit, Mutter Küsters Fahrt ins Glück). So sieht er heute aus; dick war er schon immer. Jean Genet habe ich gelesen so um die 20. War fasziniert von der Sprache (*), konnte aber mit seiner Erlebniswelt nichts anfangen. Konnte auch nichts anfangen mit Fassbinders Verfilmung von Genets Roman Querelle. Von keinem Film Fassbinders so wenig berührt gewesen wie von diesem, seinem letzten (1982). Zu artifiziell; zu schwul für mich. Die Liebe Gustav von Aschenbachs zu Tadzio in Tod in Venedig, die habe ich verstanden im Text von Thomas Mann und im Film von Visconti sogar mitfühlen können. Die Schwulenwelt von Querelle blieb mir verschlossen – sie hat mich nicht reingelassen. Dafür bin ich zu hetero, zu spießig wahrscheinlich außerdem noch. - Text von Peter Kern. Über sein Fasziniertsein von Genet. Der Text eigentlich kitschig. Abgestanden poetisch = was man sich unter Poesie so vorstellt. Doch er hat eine Haltung, die selten ist in deutschen Texten, deshalb gibt es auch keinen gängigen deutschen Begriff dafür. Englisch: self deprecation - Selbstherabsetzung, -herabwürdigung, Sichselbstkleinmachen - am Ende noch: sich selbst erniedrigen. Nein, das beschreibt es alles, ist es aber nicht: Es ist eine Art von zugleich draufgängerischer und melancholischer Selbstironie. Und es ist alles andere als eine Schwäche. Es gehört Mut dazu - Mut dazu, sich selbst zu sein - und eine Nähe zu sich selbst, die einer erst mal kriegen muss in seinem Leben. Fassbinder hatte diesen Mut und diese Nähe zu sich selbst. Dafür habe ich ihn verehrt wie sonst keinen. Peter Kern verehrt Genet. Den verstehe ich nicht. Aber ich verstehe Peter Kern. Erster Teil des Textes: Der dicke schwule Mann und sein Hingerissensein von einem jungen Buchhändler. Dem fällt das Buch aus der Hand, das er gerade liest. Der dicke Mann fängt es auf mit der Behendigkeit des Dicken, dem man diese Behendigkeit nicht zutraut, und dann ist das aufgefangene Buch auch noch Tagebuch eines Diebes von Jean Genet. Doch da ist es auch gleich wieder vorbei mit der Herrlichkeit, Dann kommt der Kitsch (Ich bin auf der Suche nach der Seele dieses Autors) und draußen stehen die Kinder und halten den dicken Mann für den Nikolaus, der vollgepackt ist mit Geschenken. Aber es sind keine Geschenke, es ist nur sein Fett, Fett, Fett. – Zweiter Teil: Peter Kern lernt den von ihm verehrten Genet persönlich kennen. Kann aber kein Französisch. Kann nur zuschauen, wie sich der Produzent Schidor mit dem legendären Autor unterhält, mit ihm verhandelt über die Filmrechte für Querelle und sich mit ihm nebenbei über die ihnen gemeinsame Wertschätzung von Männerschweiß austauscht. - Dritter Teil: Klatsch über eine Episode von den Dreharbeiten zu Fassbinders Querelle-Adaption. Nicht vom Set. Denn da ist Fassbinder an diesem Tag nicht erschienen. Deshalb holt ihn der Produzent in seiner Wohnung ab - und heraus aus dem Gestank seines Selbstversuchs, mit dem Fassbinder sich in die Hardcore-Welt von Genets Romanphantasie versetzen wollte. Fassbinder immer noch nicht bereit zum Set zu fahren. Er will erst noch mit seinem Produzenten einkaufen gehen: Kauft seinem Produzenten ein Paar Stöckelschuhe und ein dazu passendes Handtäschchen, um dann mit ihm (in den Stöckelschuhen und mit dem Handtäschchen) auf dem Kurfürstendamm zu flanieren. Was für ein Biest! Was für eine Szene! Leider nicht im Film. Nur Klatsch. Von Peter Kern. Neugierig geworden? - Im Liebeswahn ertrunken.
(*) Es gibt keine andere Quelle der Schönheit als die Verletzung, einzigartig verschieden bei jedem Einzelnen, versteckt, aber sichtbar, die jeder Mensch in sich trägt, die er sich bewahrt und in die er sich zurückzieht, wenn er die Welt in eine vorübergehende, doch tiefe Einsamkeit verlassen möchte. (Jean Genet; Zitat aus FAS)