Freitag, 3. Dezember 2010

Godard

Unbedingt anschauen: die Sequenz aus Alphaville  (1965)  mit Anna Karina und Eddie Constantine. Amoureux, qu´est-ce que c´est?Alors l´amour, c´est quoi? fragt Anna Karina. Mindestens zweimal anschauen. Ein Mal, um den Bildern und den Worten zu folgen. Den Worten, weil sie nun mal da sind. Und zum zweiten Mal, um nur der Bewegung der Bilder zu folgen und die Worte nur als Sound mitzunehmen. Godardsprech. Das Gerede, das den Plot ersetzt, dem Godard von Anfang an nicht getraut hat, und auf den er schon bald ganz verzichtete. Das Gerede. Manchmal wie das Gefasele eines übermüdeten Mannes, der seit Tagen nicht aus dem Schneideraum herausgekommen ist. Manchmal Poesie. Jedes Mal, wenn ich einen Lastwagen vorbeifahren sehe, muss ich an die Stimme einer Frau denken, sagt einer in Sauve qui peut (la vie) (1979). Die Stimme, an die er denken muss, ist die Stimme von Marguerite Duras in ihrem wunderschönen Film Le camion (1977). Cinéma pur. - Sommersemester 1976. Nachmittagsvorstellung im Heidelberger Gloria Kino.  Le Gai Savoir. Film von 1968. Der amerikanische Studienfreund Joel und ich sind die einzigen Zuschauer. Danach im Ristorante Pop reden über den Film. Joel: Aber Wolfgang, was wir brauchen ist eine revolutionäre Theorie. – Den Satz werde ich nie vergessen. Eine revolutionäre Theorie war so ziemlich das Letzte, was wir brauchten an diesem Nachmittag. – Ein Wortspiel von Godard in Le Gai Savoir; Insert: Méthode. Sentiment. Misotodiman.  Darüber wollte ich sprechen an diesem Nachmittag und darüber, warum wir uns so leicht gefühlt haben und so angeregt und so geistreich nach dem Film. Trotz seiner damals schon museal anmutenden politischen Ambitioniertheit, die Joel zu ernst nahm und ich nicht ernst nehmen konnte. Joel ist inzwischen – der wahrscheinlich letzte marxistische – Professor an einer amerikanischen Universität. Und Jean-Luc Godard ist heute 80 Jahre alt geworden.

Bitte beachten: Es gibt einen zweiten Post von heute.