Mittwoch, 13. Oktober 2010

Verabredung

Heute muss ich mich zwingen. Und wenn schon, dann möchte ich viel lieber über die alte Dame mit den aufgemalten Augenbrauen schreiben, die ich heute Nachmittag in der Konditorei getroffen habe: Sie kauft sich eine halbe Kranzstange. Ich sage: Da kann ich ja froh sein, dass Sie nicht die ganze genommen haben und mir noch ein Stück übrig lassen. – Man denkt eben mit, erwidert sie, ohne eine Miene zu verziehen und erklärt darauf, dass sie jetzt wartet, bis ihr Zucker weit genug unten ist und sie ein Stück von der Kranzstange essen kann. Sie ist nämlich Diabetikerin. Was übrig bleibt von der Kranzstange wird sie einfrieren. - Ich hatte eigentlich angenommen, dass Sie jetzt gleich mit der halben Kranzstange zum Kaffeeklatsch mit Ihren Freundinnen gehen. – Nein, antwortet sie, das werde ich nicht tun. Ich habe niemanden, sagt sie. Ohne Wehleidigkeit. So wie es ist. - Dann noch das von gestern Abend: Geglaubt, dass ich eine Verabredung mit der Tess habe. Es konnte gar keinen Zweifel daran geben, dass sie mir gezeigt hatte, sie will ausgehen. Und da sie es mir gezeigt hatte, konnte es keinen Zweifel daran geben, sie will mit mir ausgehen. Nun wollte ich eigentlich noch den zweiten Teil meines Posts überarbeiten. Außerdem wäre ich gerne früh ins Bett gegangen, um früh aufzustehen und schwimmen gehen zu können. Aber hey! Wenn die Tess mich treffen will! - Um es nicht unnötig spannend zu machen: Ich habe dann etwa eine Viertelstunde vor der Haustür der Tess gestanden und vergeblich auf sie gewartet und dann noch weitere fünf Minuten vor meiner Haustür damit zugebracht, abwechselnd zu ihrem mittlerweile dunklen Fenster hoch zu blicken und die Haustür gegenüber anzustarren. Danach bin ich wieder hoch in meine Wohnung gegangen und habe mir Notizen gemacht über die zahlreichen Umstände der Verabredung und darüber, was ich alles getrieben, gesehen und gedacht habe, während ich vergeblich auf die Tess wartete. Auf die Notizen komme ich vielleicht mal zurück. Aber lieber nicht, weil es reicht, dass ich das erlebt habe, da muss ich mich nicht noch weiter damit beschäftigen. Das einzig Interessante während des Wartens vor der Haustür der Tess war die Entdeckung, dass der Professor und die Andrea Mulder (erfundener Name) jetzt auf eine verhaltensauffällige Art umfirmiert  haben auf den beiden Namensschildern am Klingelbrett; das eine Namensschild für die Wohnung, das andere für das kleine Apartment auf der Etage. Doch da findet sich bestimmt mal ein geeigneterer Kontext, um das zu erzählen. – Und was Witziges ist auch passiert. Als ich zurück ging auf die andere Straßenseite, kam von links ein Mann mit drei Pizzakartons auf der Hand. Weil ich nichts anderes zu tun hatte, habe ich den Mann angeschaut. Als ich dann den Bürgersteig erreichte und er kurz vor mir war, machte er plötzlich einen raschen Schritt zur Seite von mir weg. Er wich vor mir zurück. – Sie brauchen keine Angst vor mir zu haben, habe ich zu ihm gesagt. Ich bin völlig harmlos. – Das sah aber gerade nicht so aus, antwortete er, immer noch atemlos vor Schreck. Ich muss also furchterregend ausgesehen haben in meiner Abgepisstheit, als ich auf ihn zu kam.  - Es kann natürlich sein, dass die geplatzte Verabredung ein weiteres Beispiel für den eigenartigen Humor der Tess gewesen ist und dass sie vielleicht sogar von der Tess als ihr neuester Beitrag zum Blog gedacht war. Es war von Anfang an auch ihr Blog und sollte es auch nach der Umfirmierung weiter sein: ich bin das eine Biest, sie ist das andere. Aber … - ich will mich dazu heute nicht äußern. Ich schreibe zu dem Thema demnächst noch Rivale 3 und 4, auch wenn ich augenblicklich nicht das Gefühl habe, dass der Rivale noch einer ist. Und dann passiert vielleicht auch mal was anderes, als immer nur das Gleiche.