Samstag, 30. Oktober 2010

Aftermath

Der Typ ging schon zwei Jahre lang im Haus Richards ein und aus. Richards hielt ihn für den Dealer seines Sohnes. Irgendwann beim Abendessen fiel sein Blick auf den Dealer seines Sohnes und auf einmal dämmerte es Richards: Hilfe! Edward mit den Scherenhänden. – Johnny Depp, Jahrgang 63, Marlon Richards, Jahrgang 69. Befreundet die beiden, warum nicht? Meine Vorstellung: dass Johnny Depp es von Anfang an darauf angelegt hat, in die Nähe von Keith Richards zu kommen, Weil er die Idee verfolgte, den Captain Sparrow in Pirates of the Carribean anzulegen mit dem Gehabe und dem Persönlichkeitsstil von Keith Richards. Diese Art, eine Rolle zu erarbeiten. Einen weltbekannten Freak sich als Vorbild auszusuchen. Sich Zugang zu verschaffen zu seinem Privatleben, ihn zu beobachten. Freundschaft mit ihm zu schließen, ihm noch näher zu kommen. Ihn hinein zu ziehen in das Projekt, das ihm schmeichelt. So fällt für alle was ab. Für Keith Richards eine neue Marke (Branding, meine ich). Den unsäglichen Totenkopfring, den hatte er vorher schon. Mental war er immer schon ein Pirat. – Worauf will ich hinaus? Ich treibe mich nur weiter im Thema von gestern herum. Wäre mir die Wendung mit Johnny Depp nicht eingefallen ganz zum Schluss, wäre es schief gegangen. Feuilleton mit Zitaten und die dann auseinander nehmen, das hätte ich nicht gemacht. Dann hätte ich es gelassen. Schreiberischer Totalschaden. Unfallursache: Abfälligkeit. Weil ich nicht wusste, wohin mit der Abfälligkeit, die sich angesammelt hatte beim Lesen der Artikel über das Keith-Richards-Buch. Darüber wollte ich eigentlich schreiben; was mir beim Lesen der Artikel passiert ist. Aber dann hat sich die Abfälligkeit so verstärkt beim Schreiben, dass ich nicht mehr wusste wohin damit. Fahrgeschäft in Disneyland, das war es dann. Und jetzt komme ich schon den ganzen Tag nicht weg von dieser Erfahrung und nicht vom Thema. Weil ich von der Abfälligkeit nicht runterkomme. Wie nach einem Wutanfall der Aufruhr in den Gedanken noch stundenlang anhält, obwohl der Anlass schon längst vorbei und bewältigt ist. Dabei: Was hat die Abfälligkeit ausgelöst? Die Abfälligkeit von Keith Richards war es, seine Erhabenheitsmasche, die hat mich angewidert und in Reaktion darauf habe ich mich in einen Zustand gebracht, in dem ich mich selbst angewidert habe. – Gestern schon mich immer wieder gefragt: Weißt du denn nichts Gutes zu sagen über Mr. Richards? – Antwort war da schon: Oh doch! Aftermath. Beggars Banquet. Let It Bleed. Sticky Fingers. Some Girls. - Exile On Mainstreet habe ich nicht vergessen, ich wollte nur mal die für mich lebenswichtigen Stones-Alben nennen. Wichtigste Songs? Das wechselte. Immer dabei: Salt of the Earth.– Ritual: Den Rest des Tages Stones hören.  Ich fange an mit Aftermath und versuche auf andere Gedanken zu kommen. Andere Gedanken sind die immer gleichen Gedanken in diesen Tagen: Erster Teil des Blogs ist abgeschlossen. Die Liebesgeschichte ist zu Ende erzählt. Sie wird im zweiten Teil überraschend - es kann nur überraschend sein, denn nichts deutet darauf hin - ein glückliches Ende nehmen. Oder sie wird nur noch Erinnerung sein. Deshalb kann das Tess-Theater auf der anderen Straßenseite jetzt aufhören. Kann das bitte jetzt mal aufhören?! Nicht das Licht. Mach weiter mit dem Licht, wenn es Dir gefällt. Mir gefällt es auch. Aber mit dem Puppentheater oder dem Schattenspiel, egal wie es nennen, hör damit bitte auf! Ich verstehe nicht, was Du da tust. Es ist mir so unverständlich, dass ich lieber denke, dass Du das gar nicht bist. Und ich werde es auch nicht beschreiben. Ich werde eher den Vorhang schließen, um es nicht mehr ansehen  zu müssen, als es zu beschreiben. – Puppentheater. Schattenspiel. Das ist Repertoire des ersten Teils. Siehe oben: Abgeschlossen. Im zweiten Teil wird alles real. Fassbar. Fragen. Antworten. Die Personen haben richtige Namen. Sie sagen ja oder sie sagen nein. Und wenn sie vielleicht meinen, dann sprechen sie es aus, so dass ich es hören kann und ihren Gesichtsausdruck dabei sehe. Im zweiten Teil bin ich lieber ganz alleine, als dass ich mich weiter in unerfüllbaren Wünschen verliere. – Das Ritual funktioniert. Nach Aftermath werde ich Beggars Banquet hören. Da kenne ich jeden Song auswendig. Und welcher Song hier zum Schluss? – Eine Episode der Sopranos in der dritten oder vierten Staffel endete mit Moonligt Mile. Die Stimmung am Ende der Episode verdichtet im letzten Titel von Sticky Fingers, das ich bestimmt zwanzig Jahre nicht mehr gehört hatte. Perfekter Schluss-Song:  Moonlight Mile.