Dienstag, 5. Oktober 2010

Pitch

Bedrückt. Beklommen. Nicht wegen der Tess. Sie liest meine Texte. Sie reagiert auf sie. Ich habe eine Frage gestellt (Liebend). Sie hat sie mir am nächsten Tag beantwortet (Freiheit), indem sie mir gezeigt hat, dass sie da ist. Ich denke an sie, sie denkt an mich. Das ist mehr als Wünsche, Träume, Sehnsüchte und völlige Einsamkeit - alleine oder zu zweit mit jemandem, der es nicht ist, aber aus zwingend erscheinenden Gründen verlässt man ihn nicht und deshalb kann nichts Neues anfangen, denn wie soll das Neue einen finden unter diesen Umständen. Phrasen zur Lebensweisheit. Wenn ich über Geld genauso viel wüsste, wie ich weiß über Gefühle, dann wäre ich heute nicht so bedrückt und würde mich nicht so beklommen fühlen schon den ganzen Tag. Schlechte Gefühle zulassen. In Erfahrung bringen, was sie wollen. Die schlechten Gefühle heute wollen mit mir über Geld reden. – In den Morgenseiten schreibe ich: Geld. Kein Geld. Das ist ein Thema. Das kann ich verfolgen wie jedes andere Thema auch. Damit werde ich mich jetzt beschäftigen wie mit jedem anderen Thema auch. Auf meine Art. Dann wird das Geld schon kommen? So einfach wird es nicht sein. Es ist ein Anfang. Erster, komischer Gedanke dazu: Kann es sein, dass das Geld keine Wahrhaftigkeit verträgt? - Das Geschleime, das Unoffene, Verlogene, Trickserische, das das Geld umgibt - bei manchen Leuten, bei manchen Geschäften, in manchen Branchen. - Beim letzten Treffen mit der TV-Produzentin: ihr Ton der Empörung, mit dem sie reagierte, als ich sagte, dass die 800 Euro für eine Stoffentwicklung deutlich weniger sind als die Hälfte dessen, was üblicherweise gezahlt wird. Sie darauf: Sie gebe nur das weiter, was der Sender ihr bewilligt. Sie nehme sich davon nichts. – Da wäre ich gar nicht darauf gekommen, dass sie sich was davon nehmen könnte. Aber nun, da sie es von sich aus anspricht ... . – Das auch ein Grund, warum ich das Geschäft mit ihr aufgegeben habe. Zu wenig Geld für den Aufwand einer Stoffentwicklung. Und das nicht los zu werdende Gefühl, dass etwas nicht stimmt. Vielleicht übertriebenes Misstrauen. Denn es scheint einen allgemeinen Honorar-Verfall zu geben in der Branche. 2.500 Euro wurden bislang bezahlt für ein Exposé. Darunter wird verstanden ein acht- bis zehnseitiges Papier, in dem die Handlung eines Films und die handelnden Personen skizziert sind. Jetzt wird auf einmal gesprochen von einem Pitch. Ein Pitch ist in der Sprache der amerikanischen Filmindustrie die Präsentation einer Filmidee in wenigen (im Idealfall drei) Sätzen. In der deutschen Fernsehindustrie ist ein Pitch neuerdings ein Vier-Seiten-Papier, in dem eine Filmhandlung umrissen wird. Dafür werden zwischen 600 und 800 Euro bezahlt. Es ist ja nur ein Pitch, kein Exposé. Honorardumping mittels falschem Sprachgebrauch, durch den die Leistung sozusagen kleingeredet wird. Denn erstens ist es so, dass ein Autor für den vierseitigen Umriss einer Geschichte genauso viel über sie wissen muss wie für einen achtseitigen Umriss; also er hat genauso viel Entwicklungsarbeit zu leisten. Und zweitens ist kurz schreiben schwerer als lang schreiben. - Der TV-Produzentin habe ich übrigens am Samstag per Mail abgesagt. Mit so dürren Worten, dass es ich es mir erst nicht durchgehen lassen wollte, aber mir sind dann einfach keine anderen Worte eingefallen.