Montag, 4. Oktober 2010

Einladung

Und wenn es gestern so war, dass die Tess den Professor gerufen hat, damit er herkommt und mich verscheucht, weil sie sich belästigt fühlte von mir? - Was ich nicht gesehen habe, dass sie das getan hat. Das müsste also gewesen sein in der kurzen Zwischenzeit, als ich weggegangen bin vom Fenster und es mir dann anders überlegt habe und noch mal zurück gekommen bin zu meinem zweiten Versuch, sie auf mich aufmerksam zu machen. Aber warum soll sie ihn gerufen haben - es musste ihr doch so vorkommen, dass ich mich zurückgezogen habe? Weil sie weiß, wie hartnäckig ich bin? Doch so hartnäckig wie gestern war ich noch nie. Weil ich ganz sicher sein wollte, dass sie das ist, die da sitzt in der Sonne mit einer Brille auf und einem Netbook vor sich. Weil ich endlich Gewissheit haben wollte: Ist sie noch da? Oder ist sie schon seit Monaten weg? Und stimmt es vielleicht doch, was Andrea Mulder mir gesagt hat, als ich im Juli drüben angerufen habe, um mit der Tess zu sprechen? Sie, Andrea Mulder, sei die Frau des Professors und eine andere Frau gäbe es nicht in der Wohnung, denn die amerikanische Studentin, die für ein halbes Jahr in dem kleinen Apartment auf der Dachetage gewohnt hat, die sei schon vor Wochen abgereist, zurück in die USA. Nun ist aber Andrea Mulder selbst auch längst wieder abgereist, zurück nach London, wo sie lebt und arbeitet. Und die Frau, die gestern auf dem Balkon gesessen hat, ist zweifelsfrei die Tess gewesen. So dass es auch keinen Zweifel mehr daran gibt, dass mich Andrea Mulder angelogen hat, Wahrscheinlich in Absprache mit dem Professor, mit dem sie mal zusammen war (mehr dazu in Rivale 2) und vielleicht sogar immer noch verheiratet ist, aber auf jeden Fall getrennt lebend von ihm; wenn auch menschlich immer noch so verbunden, dass sie bereit ist, für ihn zu lügen, wenn er einen aufdringlichen Nachbarn abwimmeln will. So verbunden und loyal ihm gegenüber, dass sie wahrscheinlich gar nicht fragt, warum er das nicht auf eine andere Art macht. Zum Beispiel, indem er damals im Juli, als ich angerufen habe, mich mit der Tess hätte sprechen lassen, damit sie mir sagt, dass sie sich gar nicht vorstellen kann, was ich von ihr wollen könnte, sie jedenfalls will nichts von mir, und außerdem sei sie schon längst abgereist, also gar nicht mehr da. Wenn sie mir das gesagt hätte, das hätte ich ihr sofort geglaubt, und es wäre nie zu dem Ereignis von gestern gekommen. Da es aber nun mal gestern zu dem Ereignis gekommen ist, warum hat der Professor da nicht die Gelegenheit genutzt, um Fakten zu schaffen, die mich zum Aufgeben gezwungen hätten. Statt mir seine furchterregende Präsenz zu zeigen, die kein Faktum ist, hätte er doch einfach hingehen können zur Tess, sie auf die Wange küssen oder ihr zärtlich über´s Haar streichen können und sie hätte dann zum weiteren Beweis der Innigkeit der Beziehung seinen Arm nehmen und ihr Gesicht an ihn schmiegen können, an den Arm, oder seine Hand nehmen und sie küssen können. Nur mal als Beispiel, um anschaulich zu machen, womit er mich für immer von meinem Dachfenster hätte vertreiben können. Es ist natürlich möglich, dass er das vorhatte, der Tess über´s Haar zu streichen oder ihre Wange zu küssen, als er die Glastür zur Veranda geöffnet hat und zu ihr hin gegangen ist. Doch just in dem Moment habe ich mich abgewandt und bin gegangen, weil die Szene für mich zu Ende war. Da hätte er also besser gleich zu ihr hin gehen sollen, statt vorher noch das mit der furchterregenden Präsenz im Wohnzimmer zu machen. Das hätte er sich sparen können. Es sei denn, die Tess hat ihn gar nicht gerufen. Er ist von sich aus dazu gekommen. Hat uns sozusagen überrascht. Und was macht er da? Da geht er natürlich nicht raus zur Tess und streicht ihr zärtlich mit der Hand über den Kopf und sagt: Was ist denn da schon wieder los, Süßherz? Warum rufst Du mich denn nicht, wenn der Kerl da drüben dir zuwinkt? – Das macht er nicht. Da verscheucht er erst den Kerl gegenüber, er versucht es wenigstens. Und nachdem das nicht geklappt hat, geht er zur Tess und sagt etwas zu ihr, was ich mir nicht vorstellen muss, weil es keine Rolle spielt. Sein Verhalten lässt auf jeden Fall darauf schließen, dass sie ihn nicht gerufen hat, Denn hätte sie ihn gerufen, dann wäre er zu ihr gegangen und hätte nicht erst das Wölfeverjagen gemacht. Wenn mich jemand ruft, dann gehe ich als erstes zu der rufenden Person und reagiere von dort aus auf das, worauf mich die rufende Person aufmerksam macht. – Stimmt das? Kann man das so sagen? - Wenn jetzt zum Beispiel an der Stelle, an der der Cursor blinkt, oder an einer anderen Stelle, wenn da mal jemand anderer antworten würde als ich. Schon bemerkt? Die praktische Kommentarfunktion unter dem Post? Man kann auch anonym mit einem Phantasienamen oder einer Abkürzung, die für nichts stehen muss, seinen Kommentar schreiben. Kritik und unangenehme Fragen sind erwünscht. Auch Beschimpfungen, Beleidigungen, Feindseligkeiten jeder Art werden von mir als Kommentar zugelassen, wenn sie nícht rassistischen oder pornographischen Inhalts sind. Alle sind eingeladen! Und beteiligte Personen ganz besonders herzlich. Professor! Ihre Sicht, Ihre Version. In einem Kommentar oder in einem Gastbeitrag, ganz wie Sie wollen. Die Tess schreibt hier auch mit auf ihre Art (wie gestern wieder). Und ich garantiere ungekürzte, unzensierte Wiedergabe Ihres Beitrags.