Donnerstag, 21. Oktober 2010

Remote

Seelenmann. Aufwachen gestern Früh. Seelenmann? – Müsste es nicht heißen – singularisch – Seelemann? – Beim Schwimmen: Seelemann? Seelenmann? Heißt schließlich auch nicht souls man, sondern soul man: I´m a soul man. Aber Deutsch ist nicht Amerikanisch. Ach ja? Und mein Gefühl sagt mir: Seelenmann. Seelenklempner. Seelenmann. Ich lasse es so wie es da steht im Post von vorgestern. – Heute wieder so eine Unsicherheit. Wegen Nebendarsteller. Eigentlich muss es doch heißen Nebenfigur. Besser noch: Nebenrolle. Dass ich nur noch eine Nebenrolle spiele in meinem Leben. Hin- und Herüberlegen. Ich finde kein Kriterium für die Entscheidung. Gefühl sagt: Nebendarsteller. Gefühl kann täuschen. Gut wäre, wenn ich jemanden fragen könnte, wie es sich liest. Heute geht das ausnahmsweise mal. Stephanie ist in der Stadt. Um halb eins holt sie mich ab zum Mittagessen. Wir entscheiden uns für das Choice in der Akazienstraße. Pho Bo und Jasmintee mit Lychees und Gewürzen. Stephanie, die schon mal in Hongkong war, sagt, es ist der beste Jasmintee, den sie je getrunken hat. Und die asiatische Nudelsuppe mit dem frischen Koriander ist so gut wie immer im Choice. Nur leider ist Tui nicht da, und Hang, mit der ich Stephanie bekannt machen wollte, u.a. weil sie beide Jahrgang 68 sind (Hang Kriegskind aus Hanoi; Stephanie 68er-Eltern-Kind aus Freiburg), Hang verschwindet, ohne mich bemerkt zu haben. Seelenmann und Nebendarsteller sind vergessen und wir reden nun allen Ernstes eine halbe Stunde lang über den FC Bayern München, unter besonderer Berücksichtigung der Peinlichkeit des Mario Gomez einerseits und des Fußballintellektuellen Louis van Gaal andererseits. Das tun wir, weil Stephanies siebenjähriger Sohn Nikolaus Bayern-Fan ist und ich diese sinnlose Informiertheit habe über die Bayern, die nur noch übertroffen wird von meinem sinnlosen Fachwissen über Fußball überhaupt, mit dem ich nun aber eine wissbegierige Mutter coachen kann, um sie in die Lage zu versetzen, ihren Sohn damit zu beeindrucken. Ihren Sohn, der ein Bewunderer ist von Mario Gomez, weil er mit dem unschuldigen Blick eines Kindes darüber hinwegsieht, worüber ich nicht hinwegsehen kann; auch wennn es noch so selten vorkommt: wenn der Gomez sich bei seinem Torjubel das Trikot vom Leib reißt und eine gelbe Karte hinnimmt, um den Zuschauern seine im Kraftraum aufgepumpte Brust und Bauchmuskulatur hinzuhalten in einer Weise, dass man sich angesichts dessen am liebsten fett und wabbelig fressen möchte, um auch nicht nur entfernt so auszusehen wie der. - Nachdem wir uns energisch zu einem Themenwechsel entschlossen haben, reden wir immer noch nicht über Seelenmann und Nebendarsteller, weil jetzt hat Stephanie Fragen zur Tess. Sie ist nicht auf dem neuesten Stand. Sie ist gerade mal bis zu den Posts Anfang September vorgedrungen. Die zwei Kinder, der Mann, der Job. Das verstehe ich. Doch an ihren Fragen ist zu erkennen, sie nimmt Anteil an meiner Geschichte mit der Tess. Sie beklagt allerdings auch Unklarheiten. Da ist sie nicht die erste Leserin, die sich darüber beschwert. Ich verweise auf den Brief, den ich veröffentlicht habe in Das alte Biest. Kennt sie, hat sie gelesen. Trotzdem. Sie steigt immer noch nicht durch. Ist die Tess jetzt die Frau oder die Freundin oder die Lebensgefährtin des Professors? Und in welchem Verhältnis steht er zu Andrea Mulder? Und wie liest die Tess, was ich ihr schreibe, wenn ich ihren Namen nicht weiß, also auch keine Mail-Adresse habe von ihr. Habe ich doch nicht, oder? - Nein. Sie ist eingehackt bei mir. Ich schreibe ihr auf meinem Rechner und sie kann es lesen, weil sie alles mitkriegt, was ich auf meinem Rechner treibe. - Hm. - Damit sind wir an dem Punkt, über den ich am liebsten hinweggehe, weil das alles so unplausibel und wie von mir ausgedacht erscheint, und weil ich fürchte, mich damit vor meinen Lesern unmöglich zu machen. Bei Stephanie muss ich das nicht fürchten. Deshalb erkläre ich ihr, wie das funktioniert mit dem Eingehacktsein der Tess in meinen Rechner und erzähle ihr als Beweis dafür, dass ich mir das Eingehacktsein der Tess keineswegs nur einbilde, den Vorfall vom letzten Dienstag, bei dem die Tess so in das Schreiben des Blogs eingegriffen hat, dass selbst ich noch mal gestaunt habe. Außerdem erkläre ich ihr noch die Beziehungsverhältnisse in der Dachwohnung gegenüber und komme dabei auf die erste Enttäuschung zu sprechen, die mir die Tess schon in einer frühen Phase unserer Bekanntschaft bereitet hat.  Das alles in der Fortsetzung morgen.