Nicht beantwortete Frage von gestern: Ist es erlaubt, Kirschkerne auf den Bürgersteig zu spucken? - Bevor ich mir diese Frage gestellt habe, hatte ich mich mit dem für mich zuständigen Kontaktbereichsbeamten Herrn K. verabredet zu einem Gespräch über seine Arbeit in dem Teil Schönebergs, in dem ich lebe. Das Gespräch findet heute zwischen 14 und 15 Uhr im Zimmer 246 statt im Polizeirevier in der Gothaer Straße 19. Hier tut Herr K. seit 1990 Dienst. Daran gehe ich seit 1997 mehrmals die Woche vorbei. Das wollte ich seit langem schon mal von innen sehen. Zusammenfassung meiner Eindrücke: Wer es nicht glaubt, dass die Berliner Polizei unterfinanziert ist, soll es so machen wie ich und sich einen Termin in diesem Revier geben lassen. – Zusammenfassung des Gesprächs mit Herrn K: Geduldig beantwortet er mir meine Fragen und schon nach seinen ersten Antworten muss ich meine romantischen Vorstellungen von der Arbeit eines KOB aufgeben. Ich hatte mir vorgestellt, dass ein KOB so etwas wie ein entfernter Kollege von mir ist. Dass er wie ich im Kiez umherstreift und den Dialog mit seinen Bewohnern sucht. Nur dass er dann nicht zurück ins Revier geht, so wie ich nach Hause gehe, um zu schreiben, sondern dass er den Leuten Ratschläge gibt, in Konflikten vermittelt und polizeilich tätig wird, also Anzeigen aufnimmt, wenn ein Konflikt nicht anders zu lösen ist als juristisch. Das tut ein KOB zwar auch, aber das macht den geringsten Teil der Tätigkeit von Herrn K. aus. Denn 80 Prozent seiner Arbeitszeit sind ausgefüllt mit Amtshilfe für andere Behörden. Typischer Fall: Jemand hat einen Fehler gemacht im Straßenverkehr, kriegt einen Strafzettel und reagiert nicht auf die Post vom Amt. Auftritt Herr K., der an der Wohnungstür klingelt, ihm das Mahnschreiben in die Hand drückt und dann sicher auch ein paar ernste Worte dazu spricht. Variante: Versicherungsschutz für das Auto abgelaufen. Verkehrsteilnehmer reagiert nicht. Auftritt Herr K.: Macht das Auto ausfindig, holt einen Schraubenzieher aus seiner Aktenmappe, entfernt die Zulassungsplakette vom Nummernschild. – Vertrautes Bild: Der Polizist, der alleine eine Straße entlang geht mit einer Aktenmappe unterm Arm. Das ist ein KOB, unterwegs mit amtlichen Schreiben oder – auch so ein Fall von Amtshilfe -, um zu kontrollieren, ob das Restaurant an der Ecke die Auflagen des Ordnungsamtes befolgt oder den Bürgersteig wieder so zugestellt hat, dass die Fußgänger sich zwischen den Tischen und Stühlen durchschlängeln müssen. Alles andere, was ein KOB macht und wofür er eigentlich da ist: für die Nöte der Bürger und ihre Beschwerden, damit kann Herr K. sich nur nebenbei befassen, weil ihm dazu die Zeit fehlt. Wegen der Amtshilfe-Aufträge und weil er – Personalmangel – nicht nur in einem Kontaktbereich unterwegs ist, sondern gleich in dreien: Kob 24, 26 und 27. Ein Gebiet, das reicht von der Hauptstraße bis zum Barbarossaplatz und von der Martin-Luther-Straße bis zum Kleistpark. Das ist in etwa mein Kiez und nun bin ich natürlich neugierig, wie ein Polizist den erlebt. Nicht viel aufregender als ich. Ladendiebstähle, vor allem in der Hauptstraße. Verkehrsbehinderndes Parken in der Akazienstraße. Nachbarschafskonflikte überall. Bei Nachbarschaftskonflikten horche ich auf. Aber da bin ich anderes gewohnt als Lärm und Ärger mit Hunden. Wenn meine Mitbürger die Polizei zu Hilfe rufen, dann nämlich meist wegen der lauten Musik bei der Grillparty auf dem Dachgarten nebenan, dem Geschrei beim Ehestreit um halb zwei Uhr morgens oder wegen dem kleinen Hund, der immer diesen großen Haufen vor die Haustür setzt. Sonst gibt es noch Wohnungseinbrüche, überall im Kiez. Sehr viele Fahrrad-Diebstähle, bedingt durch den Leichtsinn der Fahrradbesitzer, die ihre Fahrräder nicht ausreichend sichern, wie Herr K. bemängelt. Und, auch überall im Kiez: rücksichtsloses Fahrradfahren auf den Bürgersteigen. Doch damit ist es besser geworden, seit die Polizei ihr Augenmerk darauf gerichtet hat, sagt Herr K. und das kann ich bestätigen. Herr K. ist 58 Jahre alt. – Da sind Sie ja genauso alt wie ich. Jahrgang 52. – Nein, 53. – Also ein Jahr jünger. – Nicht ganz. Sie sind im August geboren, ich im März. – Ah, Polizist! Sie haben sich über mich kundig gemacht vor unserem Treffen. – Achselzucken. Lächeln. – Klar. Er hat ins Melderegister geguckt. Das würde ich auch gerne mal machen. Nur ein Mal, ein einziges Mal. – Wenn ich nicht mehr weiter weiß bei meinem Konflikt mit der Nachbarschaft, würde ich dann Herrn K. um Rat bitten? – Ja. – Ist es schon so weit? – Nein, und so weit soll es auch nicht kommen. - Jetzt noch die Frage zu den Kirschkernen. Ist es erlaubt, Kirschkerne auf den Bürgersteig zu spucken? – Nein, das ist eine Ordnungswidrigkeit, antwortet Herr K. – Wenn Sie sehen, wie ich es mache …. – Dann werde ich Sie darauf ansprechen. – Und wenn ich es wieder mache .. . – Müssen Sie mit einer Ordnungsstrafe rechnen. – Wegen der paar Kirschkerne? Könnten Sie da nicht einfach weggucken? – Und dann sieht das jemand und fragt, wozu ist denn der Polizist da, wenn er wegguckt. – Das leuchtet mir ein.
Ich hätte gerne den Namen genannt von Herrn K., aber dazu hätte es einer Genehmigung bedurft. Das ist mir zu umständlich. Also: Danke, Herr K., dass Sie sich die Zeit für mich genommen haben.
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