Hätte mich schon sehr gewundert, wenn er sich nicht wiedergefunden hätte in meinem Text, aber dann freut es mich doch sehr, als er anruft und sich meldet mit den Worten: Hier ist Schutzmann zwei, drei und vier, und er dann erzählt, er habe meine Postings über ihn seiner Frau ausgedruckt und die habe gesagt, dass sie glaubte, ihn reden zu hören, als sie den Text las. Spitzenlob! Und ich reagiere nur deshalb so verklemmt darauf, weil mir normalerweise niemand etwas sagt zum Blog und wenn doch, nichts Gutes. Zweite Überraschung: Schutzmann 2, 3 und 4 hat sich festgelesen, ist ganz begeistert davon, dass ich schreibe über den Kiez, in dem er seit mehr als 20 Jahren unterwegs ist, und er sich bei einem Text wie Hohn die Szenerie so genau vorstellen kann, als habe er daneben gestanden. Jetzt liest er den Blog komplett von Anfang an durch. Und als ich ihn gestern treffe auf dem Abschnitt und er gerade noch was am Recherchieren ist für eine Anzeige, die er schreibt, sagt er: Sie wollten doch mal ins Melderegister gucken und Ihre Daten sehen, und ich antworte: nein, nicht meine Daten, da ist er sofort im Bilde: Ach so, Sie wollen gucken nach der Contessa. – Richtig, sage ich. Die Daten der Wohnung gegenüber interessieren mich. Füge aber gleich hinzu, dass ich weiß, dass das nicht geht, und dass ich auch nie auf die Idee kommen würde, ihn danach zu fragen, weil ich unseren so erfreulichen Kontakt damit nicht belasten möchte. Irgendwann werde ich schon mal jemanden treffen, der mich da reingucken lässt. Und noch besser wird es sein, wenn es mich eines Tages nicht mehr interessiert. So weit ist es allerdings noch nicht. Und das versteht er, weil er gerade den Teil meines Blogs durchliest, in dem es um meine wundersame Contessa-Geschichte und nur um wenig anderes geht.
Bei der Anzeige, die er gerade schreibt, geht es darum, dass ein Siegel aufgebrochen wurde an der Tür eines behördlich geschlossenen gastronomischen Betriebs. Das kommt häufiger vor. Meist sind es die Betreiber selbst, die das machen, weil sie irgendetwas da liegen haben, was sie brauchen. Sie könnten sich auch an die Polizei wenden, damit ihnen aufgeschlossen wird, aber das wissen sie nicht oder sie wollen es nicht und deshalb brechen sie das Siegel an der Tür auf. Was ihnen aber schwer nachzuweisen ist und deshalb schreibt er die Anzeige im Grunde genommen nur fürs Archiv. Aber geschrieben werden muss sie. Denn es ist nun mal eine Straftat, ein amtliches Siegel aufzubrechen. Und bei Straftaten gilt das Legalitätsprinzip. Im Gegensatz zum Opportunitätsprinzip, das bei Ordnungswidrigkeiten gilt, wie ich nun lerne. Bei Straftaten muss ein Polizist aktiv werden. Bei Ordnungswidrigkeiten kann er – liegt es in seinem Ermessen, ob er eine Ordnungsstrafe verhängt oder es bei einer Ermahnung belässt oder – Beispiel Fahrradfahren auf dem Bürgersteig – zu dem Schluss kommt, dass es reicht, dass der Radfahrer abgestiegen ist, als er den Polizisten hat kommen sehen.
Darüber reden wir im Rausgehen. Schutzmann 2, 3 und 4 muss los zu seinem Kontaktbereich. Vorher will ich noch mit ihm besprechen, wie ich ihn künftig nennen soll im Blog. Wenn es nach mir geht, wird er ab jetzt regelmäßig hier auftreten und Schutzmann 2, 3 und 4 ist als Name nur begrenzt witzig. Aber dann treffen wir einen seiner Kollegen. Der hört nur Opportunitätsprinzip und Ermessensspielraum und schon fällt ihm eine Geschichte ein, in der es auch um einen Fahrradfahrer auf dem Bürgersteig geht und um einen Polizisten (KOB), der ihn nur dadurch, dass er in Erscheinung getreten ist, zum Absteigen gebracht hat, es großzügig dabei belassen wollte, aber das war einem Bürger, der das beobachtet hatte, zu wenig. Er ging hin zu dem KOB und stellte ihn zur Rede, weil der KOB den Fahrradfahrer ungestraft hatte davon kommen lassen. Worauf der KOB ihm das mit dem Ermessen und der Ermahnung erklärte, der belehrte Bürger erwiderte, von einer Ermahnung habe er nichts gesehen, der KOB sodann keine Lust auf ein Streitgespräch hatte und den Fehler machte zu sagen: Wenn Sie möchten, dann beschweren Sie sich über mich. Darauf dem Bürger seine Visitenkarte gab und den zweiten Fehler machte, indem er hinzufügte: Wenn Sie wollen, können Sie gleich mitkommen, ich gehe jetzt nämlich zurück auf mein Revier. – Mache ich, sagte darauf der Bürger. Und jetzt muss man sich vorstellen, dass der Kontaktbereich des KOBs am Rande des Abschnitts 41 liegt, so dass die beiden einen Fußweg von mehr als 20 Minuten hatten, bis sie in der Gothaer Straße angelangt waren. Schweigemarsch war das. Weiter schweigend saßen sie dann auch noch eine ganze Weile zusammen vor dem Dienstzimmer des Vorgesetzten, bei dem die Beschwerde vorzubringen war. Und das nur, weil der KOB sich damit begnügt hatte, den Fahrradfahrer streng anzugucken, anstatt ihn so zusammenzuscheißen, dass er für den Rest seines Lebens abgeschreckt gewesen wäre davon, auf dem Bürgersteig Fahrrad zu fahren. Was auch immer der Bürger sich vorgestellt haben mag, er hat die Beschwerde durchgezogen. Und wie ich nun heraus höre aus dem Dialog meines Schutzmannes mit seinem Kollegen, zeigte sich dabei, dass der KOB schon in dem Moment verloren hatte, als der Bürger ihn mit dem Fahrradfahrer beobachtete. Bei dem Bürger handelt es sich nämlich um den in Polizeikreisen als Oberster Beschwerdeführer gefürchteten Dr. Bürger. Name von mir erfunden. Doktortitel authentisch. Ein Mann in meinem Alter, wie ich auf Nachfrage erfahre; mehr wollen mir mein Schutzmann und sein Kollege nicht sagen. Viel mehr wissen sie allerdings auch nicht. Weder wer der Mann ist, noch was ihn bewegt: Ein Kreuzzug gegen Fahrradfahren auf dem Bürgersteig? Oder gegen die Polizei? Jedenfalls ist er immer wieder zur richtigen Zeit am richtigen Ort, um Polizeiverhalten zu beobachten, über das er sich beschweren kann? Patrouilliert er auf den Straßen des Abschnitts 41 und der angrenzenden Abschnitte? Hat er nichts anderes zu tun? – Das kann nicht sein. Ich habe seinen im Gespräch aufgeschnappten (richtigen) Namen gegoogelt, und wenn er die Person ist, die ich gefunden habe, geht er einer anspruchsvollen Berufstätigkeit nach. Ich werde versuchen, Kontakt mit ihm aufzunehmen, um seinen Teil der Geschichte zu hören und herauszufinden, wer der Mann ist, der mit seinen Beschwerden zum Schreckgespenst der Polizisten im Abschnitt 41 und der benachbarten Abschnitte geworden ist.