Sonntag, 10. Juli 2011

58

Ein Bild von Judith Brunner habe ich noch. Das Letzte der Bilder, die wir zusammen ausgewählt haben, um sie hier zu zeigen. Erst auf den zweiten Blick als Brunner-Bild erkennbar: Durch einen einfachen Photoshop-Trick (Verdoppelung) wird das Figürliche zum Muster und, Pointe: Kitsch zum Surrealismus.

jagd, 2011        digidruck, 140x100 cm 

Das Geburtstagkind ist noch unterwegs, kommt erst am spätern Abend zurück von der Ferienreise an die Ostsee. Als Geschenk gibt es daher etwas, das in eine E-Mail passt .. .  Cut. Ende Textentwurf von heute Nachmittag. Geschenk - wäre gewesen: Link zu Interview: Alfred Hitchcock and François Truffaut (Aug 1962). Ausschnitte aus der Tonbandaufzeichnung des ca. 50stündigen Interviews, das dem Buch zugrunde liegt, das auf Englisch einfach nur heißt: Truffaut/Hitchcock und in der deutschen Übersetzung den Titel hat: Mr. Hitchcock, wie haben Sie das gemacht? Anneli und ich, wir haben das Buch damals, Anfang der 70er Jahre, auf Deutsch gelesen und 1976 haben wir im Österreichischen Filmmuseum in Wien eine Retrospektive der Filme von Alfred Hitchcock (in den Originalfassungen) gesehen. Zusammen mit Tilman, der vor kurzem 70 Jahre alt geworden ist, wie Anneli erwähnte vorhin, als ich sie überraschend erreicht habe zu Hause, und dass Tilman 70 geworden ist, das hat sie erwähnt, weil das sein mag, dass er 70 geworden ist, genauso wie es sein mag, dass ich exakt elf Monate älter bin als sie, aber das interessiert sie alles nicht, weil sie hat schon vor 20 Jahren aufgehört zu zählen, und das meinte sie keineswegs im Spaß, wie sie mir klarmachte, als ich darüber sprach, dass es doch völlig okay ist, 58 zu sein, weil wir lange genug jung waren und jetzt eben 58 sind. Sie jedoch nicht, denn sie hat aufgehört zu zählen schon vor 20 Jahren, ist also, als sie zum letzten Mal gezählt hat, 38 gewesen und das will sie bleiben oder was? - Lieber nicht nachfragen. Darüber hinweg gehen. Aber das haben wir nicht hingekriegt. Unser Gespräch hat sich nicht mehr erholt von diesem Anfang und am Schluss habe ich es bedauert, sie erreicht zu haben. Der Textentwurf von heute Nachmittag mit der kleinen Party, die ich veranstaltet habe um das Geschenk des Links herum, stimmte dann auch nicht mehr, obwohl es im weiteren Verlauf der Party gar nicht mehr um Anneli und ihren Geburtstag ging, sondern um eine legendäre Kuss-Szene mit Ingrid Bergmann und Cary Grant in Notorious, über die Hitchcock spricht in der Tonbandaufzeichnung (dazu part 19 anklicken:  "Notorious" through to a discussion about suspense). Von der Kuss-Szene und der Anekdote, die Hitchcock erzählt von einem Erlebnis, das er hatte bei einer Zugfahrt von Boulogne nach Paris, Beobachtung eines Liebespaares, die ihn zu der Kuss-Szene in Notorious inspiriert hat - von da aus habe ich mich treiben lassen zu weiterem Partygeplauder über Filme, die den Körper bewegen, body genresKomödien, die uns zum Lachen bringen, Melodramen, die uns weinen lassen, Thriller und Horrorfilme, die unseren Atem stocken und das Blut in unseren Adern gefrieren lassen. Und von da kam ich auf Pornofilme, das Buch, das die Filmwissenschaftlerin Linda Williams über Pornofilme geschrieben hat: Hard Core  - und von da aus wiederum - Partygeplaudere - auf einen Artikel von Naomi Wolf über die Nebenwirkungen von Pornofilmen, der in der vergangenen Woche in Die Welt stand, zusammen mit einer Erwiderung von Henryk Broder, die so dämlich ist, dass ich es beim Lesen kaum ausgehalten habe, wie er in dem Artikel zum Klischee seiner selbst wird. Der letzte Satz meines Textentwurfs von heute Nachmittag war: Naomi Wolf hat recht. - Fortsetzung Partygeplauder: Und nicht nur deshalb, weil sie besser aussieht als Henryk Broder, obwohl der gar nicht so schlecht aussieht für sein Alter. 64, demnächst 65. Naomi Wolf 48, demnächst 49. Ich 58, demnächst 59. Anneli für immer 38.  
Bild: © Judith Brunner