Sonntag, 24. Juli 2011

Anteilnahme

Ein Wort sagt alles. Hingerichtet. Kinder haben sich auf den Boden geworfen, haben sich tot gestellt und er ist zu ihnen hingegangen, hat auf sie gezielt und abgedrückt. – Spiegel Online: Ein ganzes Land weint um seine Kinder. – Anteilnahme zeigen wollen. Posting schreiben mit dem Titel Sundvollen. Am besten nur das. Sonst kein Text. Geht technisch nicht. Noch ein Zitat aus dem SPON-Artikel; Passage, an der ich hängengeblieben bin, weil sie auch alles sagt: Am Tag danach liegt der Fjord still und schwarz da. Dabei springen noch immer Taucher in das Wasser, Suchhunde laufen kläffend am Ufer, auf der Straße am Hang reihen sich die Leichenwagen mit den weißen Kreuzen auf dem Dach aneinander. Am Freitag, dem Tag des Attentats, war es skandinavisch kalt am Fjord, am Tag danach ist es tropisch schwül. - Titel: Sundvollen und das Zitat als Ganzes verlinkt zu dem Artikel auf SPON. Anteilnahme gezeigt. Danach das Posting über Özgürs Skulpturen. Die Fotos. Die knappen Texte, die ich am Nachmittag entworfen hatte. So weit habe ich mich noch nie zurückgenommen wie bei diesen Texten. Das ist gut, aber es fehlt etwas. Ergänzendes Posting mit Nachlieferung und Berichtigung zum Text vom Anfang der Woche über den Atelierbesuch bei Özgur. Aber das ist es nicht, was fehlt. Kurz vor 24.00 Uhr werde ich fertig. Ich setze das Posting Sundvollen zurück auf Entwurf. Gefühl, dass es unangemessen ist. Der Blog ist keine Zeitung. Ich lösche das zurückgesetzte Posting Sundvollen. Und ich werde auch nicht über den Tod von Amy Winehouse schreiben, der am Abend gemeldet wurde. Was ist diese Nachricht gegen die Nachrichten aus Norwegen?  Meldung eines angekündigten Todes. Es war nur die Frage, wann. Heute also. Niemand wird von einem Verlust sprechen. Da war nichts mehr und da wäre auch nichts mehr gekommen. Ich werde nicht über sie schreiben. Aber das geht nicht.

Blut ist im Schuh
If the Drugs Don´t Kill Her, Amy Winehouse Can Always Rely on Her Husband to Finish the Job
Ein Name in den Schlagzeilen. Je öfter ich ihn lese, desto weniger interessiert er mich.  Bis zu dem Tag im Sommer 2007, als ich diese Fotos sehe. Die Frau mit der drolligen Bienenkorb-Frisur in der Nacht unterwegs in London. Die blutigen Ballerinas. Das Blut ist nicht das Blut ihres Typs; heruntergetropft von den tiefen Kratzern an seinem Hals. Kratzer, die sie ihm beigebracht hat, als sie auf ihn losgegangen ist, und danach ist sie panisch weg gerannt vor ihm, erzählen Leute, die sie gesehen haben und ihn, wie er schreiend hinter ihr her gejagt ist. Aber dann müssen sie sich versöhnt haben. Jetzt gehen sie Arm in Arm. Wie ein Paar, das nur mal kurz sein Hotelzimmer verlassen hat, um Zigaretten zu kaufen. Sie hat eine Packung Camel in der Hand. Und ihre weißen Ballerinas sind blutig an den Stellen, wo sie sich zwischen den Zehen, das Zeug injiziert hat, mit dem sie weiter machen werden, wenn sie zurück sind im Hotelzimmer.

Die wilde nächtliche Szene. Die Kratzer am Hals. Die blutigen Ballerinas. Wer ist sie? Album Back to Black. Die Stimme. Ihr Soul. Ihre Lyrics: He left no time to regret, kept his dick wet / With his same old safe bet / Me and my head high and my tears dry / Get on without my guy. - Back to Black. - Einen English Native Speaker gefragt: He kept his dick wet. Ist das eine englische Redensart oder ist das ihre Poesie? – Das ist ihre Poesie.  – Mehr Poesie: My blood running cold, I stand before him  / It´s all I can do to assure him / When he comes to me, I drip for him tonight / Drowned in me, we bathe under blue light. - Wake up AloneAndere Songs: Tears Dry of Their OwnSome Unholy WarLove Is a Losing Game. – Den ganzen Herbst, den ganzen Winter über Amy Winehouse gehört. Frank, Back to Black und das Bootleg Live in Paradiso. Paradiso in Amsterdan. Die Klatschpresse über sie verfolgt. Mit ihrem Vater, Mitchell Winehouse, dem Taxi-Fahrer, mitgelitten. Erleichterung, als sie sich von dem Verreckling Blake Fielder-Civil getrennt hat. Aber ohne das Drama mit dem Verreckling, dem Sauhund, dem Arschloch Fielder-Civil hätte es die genialen Lyrics des Back to Black-Albuns nicht gegeben. Und ohne den Vodka und den Junk auch nicht. Dann nur noch Vodka und ein Lungenemphysem vom Crack-Rauchen. Wie viel Crack muss man rauchen, um ein Lungenemphysem zu kriegen? Längere Zeit nichts mehr über sie gelesen, auch nichts mehr von ihr gehört. Dann der öffentliche Absturz beim Konzert in Belgrad. Die Absage der Comeback-Tour. Nur noch die Schlagzeilen gelesen. Letzte Schlagzeile: Amy Winehouse ist tot.

Nachruf: Amy Winehouse hatte das Glück, 27 Jahre alt zu werden, ein Meisterwerk zu schaffen und sich selbst zerstören zu können.