Samstag, 23. April 2011

Telefonieren

Keine Tagezählung mehr. Das mit dem Frühling ist jetzt einfach so. Wie herrlich! Auch wenn einer nur Zuschauer ist, wie ich es war beim Liebespaar am Montag (Tag 29). Der Mann von dem Liebespaar kommt mir entgegen mit seinem Handy am Ohr  und wünscht mir im Vorbeigehen schöne Feiertage. Wünsche ich ihm auch und frage: Willst du nicht mit mir reden? Versteckst du dich vor mir im Telefonieren? – Könnte schon sein, dass er nicht angesprochen werden will von mir auf seine neue Liebe, wenn es eine ist. Und wenn es keine ist, wenn es nur ein singuläres Vollmondereignis war, erst recht nicht. Deshalb hätte ich ihn auch nicht darauf angesprochen. Aber da man bei mir nie wissen kann, ist er lieber auf Nummer sicher gegangen und hat das Telefon ans Ohr gehalten, als er mich kommen sah. Oder er hat wirklich telefoniert, am Ende noch mit der Frau vom Montag. Dann sind sie ein Liebespaar, dann geht es weiter. Und in ihrer Erinnerung wird der strahlende Sonnenschein und die Wärme und das frische Grün und das satte Gelb des blühenden Löwenzahns auf der Wiese vor der Kirche für immer verbunden sein mit den Anfängen ihrer Liebe. 24 GRAD IN BERLIN! WÄRMER ALS MALLORCA! (Schlagzeile gelesen auf der Goltzstraße). - Trotzdem sind viele weggefahren. Ich treffe niemanden, mit dem ich mich unterhalten kann, hätte auch nichts zu erzählen, denke nach über das Verstecken im Telefonieren. Neue Spielart von Verhalten. Möglich geworden durch Mobiltelefonie, Teilverwirklichung einer alten Idee von Kindern. Hand vor die Augen halten und nicht da sein für die anderen. Telefon ans Ohr halten und nicht ansprechbar sein. Überhaupt nicht ansprechbar sein oder erst mal sondieren was läuft und die Situation auf sich zukommen lassen. Hat sie auch gemacht, als wir einmal verabredet waren. Ja, wir waren schon mal verabredet. Dreimal sogar. Sie ist auch jedes Mal zu der Verabredung erschienen. Zu einem Treffen ist es jedoch in allen drei Fällen nicht gekommen. Einmal waren wir in einem Restaurant verabredet. Ich hatte schließlich nicht mehr erwartet, dass sie noch kommt, habe deshalb mein Essen bestellt und bin danach raus gegangen, um eine Zigarette zu rauchen. Da sah ich sie auf der anderen Straßenseite lang gehen, Handy am Ohr, telefonierend, also in ihr Telefon sprechend. Nicht auszuschließen, dass sie gerade einen Anruf bekommen hatte (von ihrem Freund? immer bedenken, den gibt es auch noch). Allerdings auch nicht auszuschließen, dass sie nur so getan hat, dass sie mit jemandem spricht. Sie hat (scheinbar) so konzentriert telefoniert, dass sie mich nicht gesehen hat, wie ich rauchend vor dem kleinen vietnamesischen Restaurant in der Akazienstraße stand. Damit sie mich hätte sehen können, hätte ich auf die andere Straßenseite gehen und ihr folgen - ihr hinterher laufen - müssen, mich vor sie hinstellen müssen und sie ansprechen. Was hätte sie dann gemacht? Mit ihrem Telefon am Ohr? – Natürlich ist es unverzeihlich und genauso bizarr wie ihr Auftritt, dass ich ihr nicht hinterher gegangen bin, und sei es nur, um herauszufinden, was sie dann gemacht und gesagt hätte – auch wenn es mir zu blöd war und ich die Nummer mit telefonierend auf der anderen Straßenseite vorbeigehen so gestört fand, dass ich dachte, was will ich mit so jemandem, der nicht in der Lage ist, hinein zu gehen in ein Restaurant zu einer Verabredung. Da war jedenfalls nichts mit Angst bei mir. Ich hatte gespannt darauf gewartet, dass die Tür aufgeht, sie hereinkommt, und egal, was sie gesagt hätte, oder auch wenn sie nichts gesagt hätte, wenn sie erst mal aus Vorsicht geschwiegen hätte, es wäre mir schon etwas eingefallen. Aber so hatte sie ihren Auftritt auf der anderen Straßenseite, sie ist gekommen zur Verabredung, hat sich dabei aber versteckt im Telefonieren und ich habe mich genauso gestört verhalten, indem ich mich - trotzig - stur -  nicht von der Stelle rührte und ihr nur hinterher geschaut habe, bis sie meinem Blick entschwand. 

Warum hat sie sich versteckt? Hatte sie da Angst? Vor was? Sich was zu vergeben? – Ist das auch meine Angst? Mir was zu vergeben? – Oder wollte sie es mir nicht so leicht machen? Wäre das zu einfach gewesen, in das Restaurant zu kommen und an den Tisch zu treten, an dem ich saß? Wollte sie die Szene so führen, dass ich ihr nachlaufen muss? Mich um sie bemühen. Für sie vielleicht ein ganz natürliches, instinktives Verhalten. Und meine Reaktion darauf genauso natürlich, auch instinktiv: Nein! Lieber keine Frau als eine Frau, die sich so verhält. – Das Kennenlerntreffen also schon im Ansatz gescheitert. Beim Aufeinanderzugehen, das ein Nicht-Aufeinanderzugehen war, hat es sich gezeigt, dass wir nicht miteinander können, weil wir nicht so wollen, wie der andere will. Und deshalb ist es gar nicht erst so weit gekommen, zusammen etwas zu wollen. Ende. Aber so ist es dann nicht gewesen. Es ist weiter gegangen. Es geht immer noch weiter.