Dienstag, 12. April 2011

Nachspiel

Im Lauf des Tages den Faden verloren. Faden war: Leugnen von Sachverhalten und damit jemandem anderen unterstellen, er habe sich den Sachverhalt nur eingebildet oder ihn konstruiert aus fragwürdigen Motiven. Sagen: Was du behauptest, das stimmt nicht. Und damit meinen: Es stimmt etwas mit dir nicht. – Verarbeitung des Gesprächs, das ich gestern hatte mit der guten Inge. Meine Sympathie für sie unverwüstlich. Daher sehe ich es nicht so grimmig. Ihr Leugnen auch nicht böswillig. Kein Lügen. Eher eine Art von kreativer Gedächtnisleistung. In einer Co-Produktion von Erinnern und Vergessen wird eine Begebenheit nachbearbeitet im Sinne von: dass nicht gewesen sein kann, was nicht gewesen sein soll.

Gestern wieder auf Peter eingeredet, dass er einen Blog schreiben soll. Nachmittags hat die junge Freundin, mit der es schon lange nichts Richtiges mehr war, ihn darüber informiert, dass sie einen neuen Mann hat. Bestimmt ein Arschloch, hat Peter hinterher zu mir gesagt, geweint hatte er auch schon und ihr geschrieben, dass er nun nichts mehr mit ihr zu tun haben will; nichts von wegen nur noch gute Freunde sein. Ich nun gleich wieder: Hör auf, ihr Mails zu schreiben. Fang endlich an mit deinem Blog. Das ist der ideale Moment dafür. - Ich dränge ihn, noch am Abend den Blog einzurichten. Blogger.com aufrufen und in 5 Minuten ist es passiert. – 22.45 Uhr ruft er an im Ton von Stell dir vor: Die wollen meine E-Mail-Adresse haben! Soll ich die denen etwa geben? – Heute Morgen vier Mails von ihm in meinem Posteingang. Er ist völlig durcheinander. Und ich habe schlechte Laune. Als er anruft, kriegt er sie ab. Ich beschwere mich über die vielen Mails an mich und über seine Abschiedsmail an die Ex-Freundin,, die er mir weitergeleitet hat: Ich hätte dafür alle Bäume der Welt ausgerissen, um dir … . Was für ein Kitsch, Peter! - Er sagt: Ich bin eben ein Prolet. – Ich sage: Mache es dir nicht so leicht. Fang endlich an mit deinem Blog. Und vergiss die Polnische. - So nenne ich seine Freundin, weil mir dieser Ausdruck so gut gefällt und ich nicht ihren richtigen Namen nennen will, da er so katholisch ist, und polnischer Katholizismus ist mir unheimlich. Dann hacke ich noch auf dem Foto von ihr rum, das Peter mir geschickt hat. Das ist ein sehr gutes Foto von einer sehr hübschen Frau. Nur leider völlig entstellt von deiner Fotoshop-Bearbeitung. – Er: Das ist nicht mit Fotoshop bearbeitet. – Ich: Peter, du hast mir mal gesagt, dass bei dir kein Foto rausgeht, das nicht mit Fotoshop bearbeitet ist. Kannst du dich nicht mal entscheiden, auf welchem Planeten du leben willst? - Da war der Tag trotz schlechter Laune noch ein guter Tag. Hinterher habe ich im anderen Blog über das Telefongespräch mit Inge geschrieben. Geglaubt, ich könnte daraus was lernen. Zu spät erkannt, dass es besser gewesen wäre, es beim Befremden zu belassen. Deswegen den Faden verloren. Den Tag verloren.

Inzwischen hat die Polnische dem Peter geantwortet. Er liest mir vor, was sie am Schluss ihrer Mail geschrieben hat: Die Welt ohne Bäume? Bitte nicht! Ich drück Dich! - Brillante Kitschkritik. Ich beschließe, sie nicht mehr die Polnische zu nennen, und rate Peter davon ab, den Kontakt mit ihr abzubrechen.