Sonntag, 17. April 2011

Interessiert

Dani kommt aus dem Café Sur und stellt seine Augen hinter den Brillengläsern auf Unendlich. Geht es nach ihm, gehen wir aneinander vorbei, ohne uns zu beachten. Ich habe ihn nun aber mal bemerkt, also sage ich Hallo, er dann auch und dann frage ich, wie geht´s? – Gut, sagt er. Wir überqueren bei Rot die Beltzigerstraße und es gibt einen Moment betretenen Schweigens. Das kann daher kommen, dass er nicht weiß, mit wem er es zu tun hat, da er sich nicht daran erinnert, dass wir uns kennen, und ich also jemand sein könnte, der ihn anquatscht aufgrund seiner Bekanntheit als Dani Levy, Regisseur von Alles auf Zucker oder der Hitler-Komödie Mein Führer. Oder er weiß, wer ich bin, und befürchtet, dass ich ihn auf das Exposé des Schicksenplots anquatsche, das ich ihm vor knapp einem Jahr zum Lesen gegeben habe. Er wollte es auch lesen, wie er mir versichert hat bei unserer letzten Begegnung. Doch die ist nun schon ein Dreivierteljahr her. Und deshalb weiß ich auch so schon, dass es ihn nicht interessiert und frage: Ist das ein iPad, was du da hast? – Nein. Er zeigt mir, dass das, was er da unter dem Arm trägt, ein iBook ist. – Was machst du zur Zeit, frage ich, obwohl ich es weiß. – Ich schreibe gerade. – Er sagt mir nicht, was. Wir überqueren die Akazienstraße, an der die Ampel inzwischen auch Rot zeigt. In der WELT habe ich in einem Interview mit dir gelesen, dass du jetzt einen Kinderfilm machst. – Ja, aber der ist nach einem Roman. – Da gibt es die Geschichte schon, will er damit sagen. Wäre ich noch ein glückloser Drehbuchautor, würde ich jetzt spitzfindig darauf hinweisen, dass der Roman ja adaptiert werden. also zu einem Drehbuch umgearbeitet werden muss, um dann auf meine Erfahrungen mit der Adaption von Romanen zu sprechen zu kommen. So aber frage ich ihn: Wie ist eigentlich dein letzter Film gelaufen? – Nicht so toll, sagt er. Das habe ich mir gedacht und deshalb habe ich ihn danach gefragt. Doch immerhin: 120 000 Zuschauer in Deutschland haben Das Leben ist zu lang gesehen. Der Verleih hat sich mehr versprochen, meint Dani. – Aber 120 000, das ist für einen deutschen Film schon sehr gut, sage ich und bin überrascht, dass es so viele gewesen sind. Ein Flop ist das nicht. – An dieser Stelle sagt Dani zum ersten Mal: Der Film hat was. Auch wenn er nicht so ein Erfolg war, er ist zufrieden mit dem Film, weil: er hat was. – Ich habe ihn neulich mal bei Videoworld in der Hand gehabt und ihn dann lieber nicht mitgenommen, nachdem ich die Inhaltsangabe gelesen hatte, erzähle ich und erwähne noch, dass ich danach im Internet mir den Trailer angeguckt habe und ihn dann immer noch nicht sehen wollte. – Was ich nicht sage: Nach allem, was ich über den Film gelesen hatte, war ich überzeugt davon, dass es ein misslungener Film ist, und wollte ihn eben deshalb ansehen, um über ihn im Blog zu schreiben und mich damit an Dani zu rächen dafür, dass er mein Exposé nicht gelesen hat. Dann habe ich den Trailer angeguckt, mich bestätigt gefühlt in meiner Erwartung und das hat mir gereicht: ich wollte einfach nicht der Typ sein, der nachtritt. – Inzwischen hat Dani noch mal gesagt, dass der Film was hat, und jetzt guckt er betrübt, weil ich ihm zu verstehen gegeben habe, dass sein Film mich nicht interessiert. – Nun könnte ich an mein Exposé denken, das ihn nicht interessiert hat, und den Moment – ja was? Genießen? Stattdessen muntere ich ihn auf, indem ich sage: Jetzt musst du um mich als Zuschauer kämpfen. – Das tut er, indem er zum dritten Mal sagt: Der Film hat was. Um nun darauf zu sprechen zu kommen, was ihm so gut gefällt an Das Leben ist zu lang, was aber beim Publikum offenbar nicht so gut angekommen ist. – Dass du deine eigene Geschichte darin reflektiert hast? – Nein, so viel Eigenes ist da gar nicht dabei. Der Regisseur in der Geschichte, das ist nicht er. Es ist vielmehr so, dass der Regisseur im Film, die Hauptperson, sich gegen ihn als Dani Levy und Macher des Films stellt, dass die Hauptperson gegen ihn revoltiert. – Wie bei Woody Allen! In The Purple Rose of Cairo, wo ein Schauspieler aus dem Film (im Film) heraustritt. – Nein, nein, viel radikaler. Bei mir will der aus dem Film aussteigen und die ganze Geschichte platzen lassen. – Ach! Das hat in der Inhaltsangabe nicht gestanden und das kam auch im Trailer nicht vor, sage ich und denke mir, dass da sicher der Verleih dagegen war, dass das rausgestellt wird, weil das Publikum solche Spielereien nicht leiden kann. Mir gefallen solche Spielereien allerdings und ich deute an, dass mich sein Film nun vielleicht doch interessieren könnte. -  Wirklich? - Hat nicht Dani gefragt, frage ich mich jetzt. – Antwort: Wenn ich mir den Film anschaue, dann schreibe ich auch darüber. Fortsetzung dieses Textes. Fortsetzung unseres Gesprächs, indem ich Dani berichten werde, was ich mit seinem Film erlebt habe, nachdem es ihm schließlich doch noch gelungen ist, mich als Zuschauer zu werben.