Mittwoch, 13. April 2011

Mitmachen

Wie Leute sind. Wie Leute einen sein lassen. Leute, die wie im Fußball die Räume eng machen, die mit ihrem Defensivverhalten einen am Kombinieren hindern, das Spiel unterbinden. So einer ist der Kassierer nicht. Als ich meiner Frage vorausschicke, dass ich hypersensibel bin, sagt er, das bin ich auch. Und als ich ihn erinnere an den Moment am Montag, als ich mich verabschiedet habe im Hinausgehen und er so ernst und förmlich reagiert hat, da sagt er nicht, dass er sich daran nicht erinnern kann, weil: Wissen Sie, wie viele Leute jeden Morgen an mir vorbei gehen? Wie soll ich mich da erinnern, wie ich bei jedem Einzelnen geguckt und gegrüßt habe. – Er weiß es noch. Er versteht auch meine Frage, ob möglicherweise etwas gegen mich vorlag, weil er so streng geguckt hat, da er selbst bekennend hypersensibel ist. Und er bestätigt darauf, was ich für eine mögliche Erklärung gehalten habe: dass es an seinem Gesprächspartner und dem Gespräch gelegen hat, das er in dem Moment führte. Er habe sich mit dem anderen Mann nämlich gerade über die Krise des FC Bayern München unterhalten, sagt er. Damit macht er sich jedoch nicht lustig über mich, das mit Bayerns München hat er nur gesagt zur Auflockerung, bevor er mir erklärt, der Mann sei der Vorsitzende eines Saunaclubs gewesen, der sich über Missstände in der Sauna des Hallenbades am Sachsendamm beschwert hat, und er, der Kassierer, musste sich das alles anhören, obwohl er für den Zustand der Saunaeinrichtungen nicht verantwortlich ist. – Weil ich nun dringend ins Wasser musste, habe ich nicht nachgefragt, was ein Saunaclub ist. Das finde ich ein andermal heraus. Jetzt ist erst mal die Frage vom Montag beantwortet. Mein Verdacht hat sich nicht bestätigt. So bleibt nur noch die Frage: Was war mein Verdacht? – Ich weiß, dass mein Blog von Leuten im Hallenbad, Personal und Badegästen, gelesen wird. Darauf gibt es deutliche Hinweise. Darüber habe ich mich gefreut. Aber niemand hat mich dort je auf den Blog angesprochen. Wie mich auch sonst niemand auf den Blog anspricht. - Das kann natürlich daran liegen, dass ich mir die Hinweise nur einbilde, in Wirklichkeit jedoch niemand den Blog liest, wie jemand einwenden könnte, dessen Spiel es ist, die Räume eng zu machen. Aber aufgrund der Blog-Statistik-Funktion weiß ich, dass ich schon mehr Leser habe als die Handvoll Leute, mit denen ich über den Blog spreche. - Zunächst war mir das Stillschweigen der Leser in meiner Umgebung gerade recht, dann fand ich es merkwürdig, inzwischen finde ich es belastend. Weil aus dem Stillschweigen Heimlichkeit geworden ist, die ich mir zu eigen gemacht habe, ohne es zu wollen. Beispiel: Der hier schon mehrfach erwähnte Bernd - nicht Bernd, der Raucher auf der Straße, der Bernd vom Beckenrand. Kein Wort habe ich ihm je über den Blog gesagt, obwohl er regelmäßig darin auftritt. Die letzten vier Wochen ist er nicht mehr zum Schwimmen gekommen. Zuletzt habe ich mich gefragt, ob er vielleicht durch andere von meinem Blog erfahren hat und jetzt in ein anderes Hallenbad geht, weil er nicht will, dass ich über ihn schreibe. Einbildung? Wenn, dann nicht ganz unbegründet. Denn das kommt schon vor, und das ist nun zweifelsfrei, dass mir Leute aus dem Weg gehen, weil sie nicht von mir beschrieben werden wollen. Muss ich akzeptieren, auch wenn es bitter ist, wenn jemand sich dann gleich ganz von mir zurückzieht (Hediye!). Ich akzeptiere auch widerspruchslos, wenn Leute mir sagen, dass sie nicht wollen, dass ich über sie schreibe. Was allerdings noch niemand getan hat, denn die Leute reden ja nicht mit mir über meinen Blog. – Worauf will ich hinaus? – Die Heimlichkeit beenden. Die Nachfrage beim Kassierer heute Morgen war so ein Versuch. Mein Verdacht war, dass es ihm nicht recht gewesen sein könnte, dass ich das mit seinem toten Onkel erwähnt habe. Hätte er rumgedruckst heute Morgen, hätte ich ihn gefragt, ob das der Grund für seinen strengen Blick war. Offenbar war es das nicht. Und Bernd ist heute zum ersten Mal wieder zum Schwimmen da gewesen. Eine schwere Grippe hat er gehabt. Also war es Einbildung von mir, sein Fernbleiben auf mich zu beziehen. Aber nicht unbegründet. Ausgelöst von einem unguten Gefühl. Wegen der Heimlichkeit, die nicht gut ist. Sie ist auch nicht fair. Bernd soll wissen, dass ich über unsere Gespräche am Beckenrand schreibe. Mit diesem Wissen soll er sich überlegen können, was er mir erzählt – er soll sich aussuchen können, was ich über ihn schreibe. Er soll es mitgestalten können. Deshalb werde ich ihm die Blogadresse und dieses Posting mailen. Verstehe gar nicht, warum ich das nicht schon längst gemacht habe, ihm die Blogadresse zu geben. Heimlichkeit ist nicht meine Sache. Ich will die Leute nicht aushorchen und sie vorführen. Ich will, dass sie mitmachen. Freiwillig. Mit Freude daran.