Mittwoch, 27. April 2011

Geschmeichelt

Er hat Fußball gespielt in Jugendmannschaften bei verschiedenen Berliner Vereinen. Unter anderem bei den Reinickendorfer Füchsen und bei Hertha. Scheint begehrt gewesen zu sein als Spieler. Vergessen zu fragen, auf welcher Position er gespielt hat. Abwehr? Mit feiner Technik und Offensivdrang? – Mit dem Fußball hat er aufgehört, als es mit den Mädchen losging und mit dem Nachtleben. - Alkohol? Drogen? – Keine Drogen. Alkohol schon. – Und jetzt immer noch Nachtleben? – Keine Zeit. Zu viel Arbeit. – Und feste Freundin? Verlobte? – Keine Frau. – Ich habe mir immer vorgestellt, dass du mit (Diskretion) der und der zusammen bist. – Sie würde das gerne haben. Aber ich nicht. – Du bist so alt wie sie, hat sie mir erzählt. – Richtig. 21. – Und du hast keine Freundin? – Interessiert mich nicht. – Was interessiert dich? – Er macht die Geste mit Daumen, Zeige- und Mittelfinger. Geld verdienen will er, um unabhängig zu werden. – Und dir dann eine Frau finden? – Er nickt. – Ich erzähle ihm von einem Gespräch, das ich vor zwei Tagen mit einem anderen Mann hatte, auch türkisch. Nicht mehr ganz so jung wie er. 32. Sehr gut aussehender Mann aus einer sehr guten Familie. Hat ein gutgehendes Geschäft, Familienbetrieb. Mann, von dem ich immer annahm, dass ihm die Frauen nachlaufen. Tun sie vielleicht auch. Aber die Richtige, war noch nicht dabei. Sie wollen nur nehmen und nicht geben, hat er gesagt. Dass er das immer wieder erlebt hat. - Ich erzähle ihm das, weil ich mich gerade daran erinnert habe, aber auch, um ihn auszuforschen. Lässt er sich aber nicht. Oder es fällt ihm nichts dazu ein. Vielleicht denkt er, dass ihm das nicht passieren könnte, dass er immer an die falschen Frauen gerät. - Ich sehe auch gut aus,  sagt er nur. Ich schaue auf sein schütteres Haar, zweifle jedoch nicht daran, dass Frauen sich für ihn interessieren. Siehe die junge Frau, für die er sich nicht interessiert.

Am nächsten Tag arbeitet er wieder und jetzt stellt er die Fragen. Wie es mir geht? – Es geht mir schlecht, aber ich will ihn nicht belasten. Deshalb antworte ich: Ich arbeite daran, dass es besser wird. Hey, füge ich hinzu, das werde ich jetzt immer sagen, wenn ich gefragt werde, wie es mir geht. Denn genau so ist es: ich arbeite daran, dass es besser wird. – Er geht darauf nicht ein, stattdessen fragt er mich nun: Bist du verheiratet? – Nein. – Aber du warst mal verheiratet. – Nein. – Du lebst so mit einer Frau zusammen. – Nein. – Aber eine Freundin hast du. – Nein. – Aber du hast Kinder. – Keine Kinder. Das ist das große Pech meines Lebens, dass ich keine Kinder habe. – Du wolltest Kinder? – Ja. – Du hast die richtige Frau nicht gefunden? – Es hat nie gepasst und jetzt ist es zu spät. – Er kann es nicht fassen und es tut ihm leid: Du bist doch so ein cooler, offener und ehrlicher Typ. So einen Vater wünschen sich Kinder heutzutage. – Ich weiß, sage ich im Hinausgehen, setze mich auf mein Fahrrad und fahre nach Hause. Dass er mich so sieht! Es geht mir nicht aus dem Kopf, was er gesagt hat. Dass Kinder sich Väter wünschen, wie ich einer hätte sein können. Ich fühle mich geschmeichelt. Bis es nur noch weh tut.