Blöde Geschichte. Aber was Besseres ist nicht passiert von gestern auf heute. – Anfang vor 13 Jahren. Café Savigny. Ich unterhalte mich mit Inge. Meine damalige Freundin unterhält sich mit H., enge Freundin Inges und ihres Mannes M. Während ich mit Inge rede, beobachte ich meine Freundin und H. und die gefällt mir besser als meine Freundin. Zwei Monate später trennen sich meine Freundin und ich. Ein paar weitere Monate später erkundige ich mich bei Inge nach H., erfahre, dass sie alleine ist wie ich, und sage Inge, dass H. mir gefällt. Inge meint, dann solltet ihr euch mal kennenlernen. Treffen in der Wohnung von Inge und ihrem Mann. Anwesend die beiden, H. und ich. Es liegt nicht daran, dass Inge und M. dabei sind: innerhalb kürzester Zeit weiß ich, dass es das nicht gibt, was ich bei H. gesehen habe, als ich sie neben meiner Freundin sitzen sah. Und es liegt auch nicht an ihr. Deshalb beschreibe ich nicht, wie H. ist. Es ist nur einfach nicht da, was ich zu sehen glaubte, und was da ist, das interessiert mich nicht. – Heute würde ich meinen Tee austrinken und sagen: ich gehe dann mal und danke für den Tee. Damals bin ich noch mitgegangen in den Biergarten an den neuen See, weil ich glaubte, ihnen das schuldig zu sein: Inge und M., die das Kennenlerntreffen eingefädelt hatten, und H., die sich zu dem Kennenlerntreffen bereit erklärt hatte. Was für ein Krampf! - Zu der Zeit hatte ich noch meine Katze. Ich musste dringend nach Hause, um sie zu füttern. Was habe ich mich gefreut, die Katze zu sehen, und dann habe ich mich den ganzen Abend lang befreit und zugleich schlecht gefühlt. Denn ich konnte es mir nicht anders vorstellen, als dass ich H. gekränkt hatte, indem ich erst interessiert an ihr war und dann – buchstäblich – von jetzt auf nachher nicht mehr.
Neulich habe ich mich wieder einmal an diesen Vorfall erinnert und mir vorgenommen darüber zu schreiben. Ausgehend davon, dass über diesen Nachmittag nie gesprochen worden war. Weder Inge und ich hatten darüber gesprochen bei späteren Treffen. Noch H. und ich, die ich bald häufiger zufällig traf, weil sie in meiner Nähe in einer Buchhandlung arbeitete. - Die Schreibidee war, von dem Nachmittag zu erzählen und dann H. zu treffen und mit ihr über das Unausgesprochene zu reden. Sie sollte die Geschichte mitschreiben damit wie sie reagiert, wenn ich darüber spreche, was ich damals erlebt habe und wie es mir nachgegangen ist als Schuldgefühl, als Peinlichkeit. Das allerdings nicht, um etwas gut zu machen oder um Verzeihung zu bitten und schon gar nicht, um etwas nachzuholen, sondern - ich kann es nur beschreiben als die Schreibaktion, die ich geplant hatte: um zusammen zu erzählen, was wir an diesem Nachmittag erlebt hatten, indem wir darüber sprechen. – Über diesen Plan habe ich im anderen Blog geschrieben und dann darüber, wie ich H. am Dienstag in der Buchhandlung, in der sie jetzt arbeitet, aufgesucht habe, um sie zu fragen, ob sie sich mit mir bei nächster Gelegenheit treffen möchte. Was ich von ihr wollte, hatte ich ihr noch nicht gesagt, weil ich noch nicht wusste, wie ich es ihr erklären sollte. – Das der Stand von gestern Abend. Da nun in meiner Mailbox Eingang eines Kommentars zu dem, was ich im anderen Blog über H., den Vorfall von damals und über meinen Plan geschrieben hatte. Es war ein anonym abgegebener Kommentar. Erst bei genauerem Hinsehen erkannte ich, dass der Kommentar von Inge ist. Sie bezieht sich darin auf eine Formulierung von mir aus meinem Post, in dem ich geschrieben hatte, ich hätte H. verschmäht. Und dazu schreibt sie, dass davon keine Rede sein könne, weil dazu eine gewisse Verfügbarkeit gehöre, die nun aber mal nicht gegeben gewesen sei, das könne sie mir versichern, das weiß ich, hat sie geschrieben. Verfügbarkeit. Das Wort ist mir den ganzen Abend nicht mehr aus dem Kopf gegangen. Sie war nicht verfügbar. Na, dann ist doch alles gut. Dann hatte ich H. nicht verschmäht, wie ich es - zugegeben, melodramatisch überhöht - formuliert hatte. Und dann hatte ich sie auch nicht gekränkt. Dann hatte das alles vielleicht gar nicht stattgefunden. Dann hatte ich mir das alles nur eingebildet. Dann gibt es jetzt auch gar nichts zu reden. Keinen Grund mehr, mit H. zu sprechen. Nichts Unausgesprochenes. Keine Geschichte, die wir zusammen erzählen könnten. Keine Erzählung, die zum Beispiel davon hätte handeln können, wie H. mir das selbst sagt, dass ich mir das nur eingebildet habe, dass ich sie gekränkt hätte, weil es von ihrer Seite keine Verfügbarkeit gegeben hat, und wie ich darauf beharre, mir das nicht eingebildet zu haben, und das begründe, worauf sie wiederum – ich weiß es nicht. Keine Ahnung, wie das Gespräch ausgegangen wäre. Alles wäre besser gewesen, als der Kommentar von Inge. Blöde Geschichte. Was gebe ich ihr für einen Titel? Verfügbarkeit? – Ich entscheide mich für Herzchen. Und das Herzchen, das bin natürlich ich.
Der andere Blog: Ich war überrascht, dass Inge ihn überhaupt gefunden hatte. Wie neulich schon erwähnt, schreibe ich den Blog vorläufig noch heimlich, d.h. ich habe ihn so eingestellt, dass ihn die Suchmaschinen nicht crawlen. Was ich dort schreibe ist eine Mischung aus Tage- und Skizzenbuch. Die richtige Mischung habe ich noch nicht gefunden. Deshalb heimlich. Aus der Blog-Statistik kann ich ersehen, dass der Blog sieben Leser hat, die ihn regelmäßig verfolgen. Eine Leserin wurde von mir eingeladen. Die anderen Leser haben ihn, wie die schlaue Inge, gefunden. - Da es nun schon mal sieben Leser sind, ist es vorbei mit der Heimlichkeit. Allgemein bekannt will ich den Blog trotzdem noch nicht machen. Angebot: Wer ihn lesen möchte, kann mir eine Mail schreiben - Betreff: Zweiter Blog; das genügt - und bekommt von mir dann eine Antwort-Mail mit der Blog-Adresse. Für die Mail einfach nur das Mail-Icon rechts unter dem Post anklicken.