Im Posteingang gestern Abend nicht die mit Spannung erwartete Reaktion von Dani, dem ich die Adresse meines Blogs gemailt hatte, sondern eine Wut-Mail von Peter. – Was war passiert? – Am Freitag telefonieren wir am frühen Abend, während ich in der Küche das Abendessen vorbereite, Bier trinke, Zigaretten rauche und alte Bowie-CDs aus der Musikbibliothek höre: Erst Ziggy Stardust und anschließend Scary Monsters. Als Peter das mitkriegt, beschwert er sich erst, dass ich immer Musik höre, wenn ich mit ihm telefoniere (nicht zu ändern, zwischen 18.30 und 20.00 Uhr ist bei mir nun mal Party) und dann sagt er noch: Iiiieeeh, Bowie! Wie eklig! – Der sei arrogant. Ich wundere mich, dass er nie eine Bowie-Phase hatte, und dann auch wieder nicht. Doziere kurz über die Wandlungsfähigkeit von David Bowie, dass er sich mehrfach neu erfunden hat. Merke dann aber gleich, dass ich damit gerade Peter nicht beeindrucken kann, und denke an nichts Böses, als er mich fragt, ob ich seine Mail schon gelesen hätte. Mails lese ich frühmorgens und abends. Worum geht es denn Peter? – Wirst du ja sehen. – Hätte er es mir gleich gesagt, hätten wir es auch gleich ausfechten können, so zieht es sich hin, weil schriftlich:
Betreff: Kelly Family
Kannst du mir erklären,
warum ich eine Schwäche für sowas habe
und jedesmal heulen könnte.
http://www.youtube.com/watch?v=Ol5rSB44Kfk&feature=related
Betreff: Re: Kelly Family
Peter es ist peinlich, es ist unterste Schublade, ich kann es dir nicht erklären, ich gucke mir das nicht an, hör auf, mir so ein Zeug zu schicken. Das Sein bestimmt das Bewusstsein (Karl Marx). Hör auf damit, Dich mit so einem Kitsch abzugeben, und es wird wieder aufwärts gehen mit Deinem Leben!
W.
Betreff: Re: Kelly Family
Wolfgang,
du denkst,
Bowie wär was Besseres,
weil er ein arrogantes Arschloch ist.
Es ist deine Sache,
dich da wiederzufinden,
aber laß den Menschen die Möglichkeit,
sich ihre Gefühle da zu holen,
wo sie sie finden.,
selbst wenn es die Zuckerpuppe aus der Bauchtanztruppe,
oder,
ich will nen Cowboy als Mann ist.
Vielleicht gefällt es dir,
wenig Freunde zu haben,
aber vom hohen Roß aus
kann es schwierig sein,
Ihnen und anderen zu begegnen.
Mehr Nachsicht,
mehr Einsicht,
dass Andere anders sind
und in der untersten Schublade
kann es manchmal gemütlicher sein,
als in der obersten.
P.
Betreff: Re: Kelly Family
Och, Peter! Ich nehm Dir doch nichts! Ich sag nur Kitsch! Kitsch! Kitsch! - Und ein Mensch ist, was er isst. Oder hört, oder ... . - Das Sein bestimmt das Bewusstsein! Basta!
W.
Betreff: Re: Kelly Family
... und Bowie ist nicht arrogant. Er ist aristokratisch: The Thin White Duke.
Betreff: Re: Kelly Family
Vor 17 Jahren ist mir eine wunderschöne Polin mit 5-jährigem Kind ins Büro geschneit und brauchte Hilfe. Ich war zwar nicht zuständig, aber die Lust, zu helfen, überwog. Ich habe dafür sorgen können, eine neue Wohnung zu finden, durfte ein paar schöne Fotos von ihr machen, aber dann hat sie einen smarten aber langweiligen Bullen geheiratet, der später Erzieher wurde und ein weiteres Kind gezeugt, das jetzt in de Psychiatrie ist. Inzwischen ist sie geschieden und wir hatten eine Beziehung angefangen, die erfüllend war, wie keine zuvor. Aber jetzt scheint ein Anderer wichtig zu sein und ich kann es nicht ändern, nur trauern.
P.
Als ich heute Früh diese letzte Mail lese (geschrieben 1.29 Uhr), freue ich mich, dass Peter nicht mehr beleidigt ist, bin verblüfft vom schnellen Themenwechsel und dann mal wieder überrascht von seiner Eigenart des Nach-und-Nach-Herausrückens mit einer Geschichte. Ich wusste, dass er H. (aka die Polnische) schon lange gut kannte, bevor sie vorletztes Jahr ein Liebespaar wurden und sie ihm letztes Jahr das Herz gebrochen hat (oder er sich selbst das Herz gebrochen hat, denn er hätte wissen müssen, worauf er sich einlässt). Aber ich ahnte nicht, dass er sie im Amt kennengelernt hatte. So wie er auch die andere ganz wichtige Frau in seinem Leben, Susanne, die Mutter seines Sohnes, als Hilfesuchende im Amt kennengelernt hat. Du bist also für H. von Anfang der Helfer und die gebende Hand gewesen, und so hat sie sich dann auch verhalten – sie hat dich in ihre Nähe gelassen, als sie dich brauchte vor zwei Jahren, und als sie dich nicht mehr brauchte, und weil deine gebende Hand inzwischen leer war, da war es vorbei – sage ich schlaumeierisch, als er heute Vormittag anruft und ich immer noch fasziniert bin von der Klarheit, mit der sich sein Muster zeigt. Als er darauf erwidert, dass man das so einfach nicht sagen kann, da habe ich es auf einmal eilig. Lass uns später noch mal telefonieren, ich muss jetzt gleich den anderen Blog schreiben. Und da, das sage ich ihm nicht, weil ich es in dem Moment noch nicht weiß, da wird es um mein Muster gehen, aber so, dass es mir richtig weht tut. Es beginnt ganz harmlos mit einer Korrektur zu dem Posting von gestern: Telefonieren – und dann bin ich auf einmal wieder mittendrin im Drama mit ihr – in meinem Drama mit ihr. Denn auch hier bitte unterscheiden: sie hat mir das Herz gebrochen – ich habe mir das Herz gebrochen.