Donnerstag, 13. Januar 2011

Warten

Ist das auch mal jemandem anderen passiert in der Eile: Der Einkaufswagen bei Penny ist nicht angekettet. Im Schlitz steckt eine Münze. Ein Einkaufswagen-Chip wäre mir lieber gewesen. Der Euro wird selbstverständlich auch angenommen. – Die Frau, die ich immer gerne gesehen habe und die noch nie zurückgeguckt hat, guckt zu mir her. An der Kasse ist sie vor mir dran. Nachdem sie ihren Einkauf eingepackt hat, blickt sie erst die Kassiererin und dann mich an und sagt – mit einem Lächeln, das als amüsiert bezeichnet werden kann: Tschüss. Ich bin so erstaunt darüber, dass ich nicht auch Tschüss sage. – Als ich die Konditorei betrete, begrüßt mich die Verkäuferin strahlend mit den Worten: Heute habe ich ein Stück Kranzkuchen für Sie. Eben frisch angeliefert. – Sie erinnert sich also daran, dass ich in den letzten Wochen mehrfach keines mehr bekommen habe. Zweimal mit dem Zusatz: Vor wenigen Minuten das letzte Stück verkauft. Deshalb sucht sie mir heute das größte Stück aus. Es ist so groß, dass man damit eine Familie ernähren kann, wie ich feststelle. Oder so groß, dass es für zwei Tage reicht, wie ich dann auch noch sage. Auf dem Nachhauseweg denke ich, wenn das jetzt so weiter geht mit den Glücksfällen, dann kommt der Tag, an dem ich nichts Süßes mehr essen muss. Ich kann es kaum erwarten. – Jetzt muss es nur noch bei Peter gut gelaufen sein. 15.45 Uhr. Wenn er gleich dran gekommen ist bei seinem Termin um 15 Uhr im Virchow, dann weiß er jetzt, was los ist. Ich rechne damit, dass die Knubbel an seinem Hals gutartig sind und dass das Nasenbluten und was er sonst noch hat an Störungen, dass das alles nur psychosomatisch ist. Zwischen 18 und 19 Uhr werde ich ihn anrufen. – Wenn sich meine Erwartung bestätigt, melde ich das später noch.
16.45 Uhr. Telefon. Peters Nummer auf dem Display. Er meldet sich. Darauf Schweigen. – Oh nein! denke ich und warte angespannt, bis er weiter redet. Er lässt sich Zeit. Dann werde ich mal berichten, sagt er. Und wie er das sagt, hört es sich nicht gutartig an. Doch dann stellt sich heraus, dass Professor B., bei dem er das Diagnose-Gespräch haben sollte, kurzfristig zu einem Kongress musste. - Wie kann man kurzfristig zu einem Kongress müssen? Kongress weiß man doch schon lange vorher. Doch immerhin hat die Sekretärin von B. heute Früh angerufen, um den Termin abzusagen. Den Termin, den sie gestern noch bestätigt hatte. Gut, dass Peter trotzdem zur MRT in die Charité gegangen ist. Aber dort haben sie ihm nichts gesagt. Obwohl sie es bestimmt gekonnt hätten. Das sind Techniker, sagt Peter. – Ich: Bestimmt auch Mediziner, aber Medizintechniker. Die haben es nicht drauf, mit Patienten zu sprechen und ihnen dann unter Umständen einen ungünstigen Befund mitteilen zu müssen. – Wie komme ich auf ungünstigen Befund? Was rede ich? Ich wechsle sofort das Thema: Wann ist jetzt dein Termin bei Professor B.? - Dienstag. - Wieder vier Tage banges Warten und Schlafstörungen. Wenigstens ist die MRT jetzt gemacht. Klasse, Peter, dass du da warst.