Samstag, 15. Januar 2011

Leer

Was mache ich jetzt? – Szene von vorgestern Abend retten vor dem Text von gestern und mich damit erst so richtig in Schwierigkeiten bringen mit einer Vorstellung mit so vielen Unbekannten, dass es besser wäre, ich würde sie für mich behalten. Das kann ich aber nicht, weil sie wieder aufgetaucht ist in meinem Bewusstsein, sicher nicht zufällig, und da sie aufgetaucht ist, muss auch über sie berichtet werden. – Szene von vorgestern Abend: Ich schaue mir auf DVD an Enter the Void von Gaspar Noé und muss dabei an die Tess denken, obwohl ich nicht mehr ständig an die Tess denken will, das auch in den vergangenen Tagen einigermaßen geschafft habe, doch jetzt muss ich so intensiv an sie denken, weil ich mich an etwas erinnere und daraus sich Vorstellungen formen, die mich nicht mehr loslassen, so dass ich darüber zu schreiben beschließe. – Text von gestern, den ich nicht hingekriegt, deshalb den Schlub-Text gepostet habe. Text fängt so an: Die Tess hat lange schlanke Beine. Ihre Oberschenkel sind muskulös. Auf eine zarte Art muskulös. Wenn sie nicht muskulös wären, dann wären ihre Oberschenkel dünn. Entweder die Tess macht einen Sport oder hat einen Sport gemacht, bei dem sie diese muskulösen Oberschenkel bekommen hat. Oder sie hat sie sich gezielt antrainiert (body shaping), weil ihr ihre dünnen Oberschenkel nicht gefallen haben. Weil sie nicht so lange dünne Beine haben wollte wie Linda, Schwester von Oscar, in dem Film Enter the Void, (...). Die langen dünnen Beine Lindas ein Key Visual des Films. Immer wieder Lindas nackte lange Beine mit den dünnen Oberschenkeln. Linda ohnehin die meiste Zeit halbnackt zu sehen in dem Film. Deshalb, weil sie als Tänzerin in einem Nachtclub arbeitet. Aber auch, um uns ihre Schutzlosigkeit spüren zu lassen ... . – Folgt im Text von gestern eine Beschreibung des Films. Die lasse ich jetzt weg. Über die Beine der Tess wollte ich letzte Woche schon schreiben, Aber dann habe ich sie an dem Nachmittag zum zweiten Mal in der Woche an einer Supermarktkasse gesehen und habe darüber geschrieben, wie ich sie gesehen habe und wir uns danach wieder verpasst haben. Vermeintlich verpasst haben. Denn in den Tagen danach ist mir klar geworden, dass die Tess nicht mehr wollte, als sich mir zeigen, damit ich weiter an sie und über sie schreibe. Und am Wochenende ist mir ein Mal mehr und endgültig klar geworden, dass es immer nur das und nichts anderes geben wird  – mein Schreiben und ihr Licht. Den dämlichen Auftritt des Professors am Montag brauchte es dazu nicht mehr. Es war mir auch egal, ob er die Tess genötigt hatte, an seiner Demonstration teilzunehmen, oder ob sie freiwillig dabei mitgemacht hatte. Denn ich hatte schon aufgegeben. Ich war frei. Weg von meinem Begehren. Habe alles nur noch gesehen, wie es ist. Ich bin 58, ich bin erfolglos und arm. Wenn sich die Tess einen anderen Mann sucht, was sie hoffentlich bald tut und vielleicht hat sie ihn auch schon, dann bin das sicher nicht ich. Ich bin der, mit dem sie diese einzigartige, merkwürdige Geschichte einer schattenspielartigen Affäre hatte. Es war schön, sie zu erleben, und es bleibt davon zurück ein großes starkes Gefühl für die Tess. Frei von Begehren. Es bleibt allerdings auch zurück eine Leere. Was mache ich jetzt mit der Freiheit? Und: Was mache ich mit all den Fragen, die nie beantwortet wurden? – Gedanke in der Mitte der Woche: Es ist nur ein Kapitel zu Ende. Noch nicht die Geschichte. Die wird erst zu Ende sein, wenn alle Fragen beantwortet sind. Wenn ich weiß, wer die Tess ist. Doch das hat Zeit. Jetzt richte ich mich wieder im Alleinsein ein. Und jetzt schreibe ich nur noch über das, was ich mit Sicherheit weiß. Keine Mutmaßungen mehr. Keine Vorstellungen mehr mit unzähligen Variablen. – Und jetzt passiert schon wieder, was auch gestern passiert ist bei dem Text, den ich aufgegeben habe. Ich komme nicht auf den Punkt. Der Punkt ist, dass es in Enter the Void eine Abtreibungsszene gibt: Linda ist schwanger von dem Geschäftsführer des Nachtclubs in Tokio, in dem sie arbeitet. Abtreibung. Hyperrealistisch dargestellt. Die Geräusche der gynäkologischen Instrumente bei der Ausschabung von Lindas Gebärmutter. Großaufnahme der Nierenschale mit ihrem Blut und dem winzigen Embryo. Und zum zweiten Mal während des Films muss ich an die Tess denken und höre danach nicht mehr auf damit. Sehe den Film weiter und denke gleichzeitig an die Tess und an den Abend des 15. September 2009, als ich sie in der Dachwohnung gegenüber rumschreien hörte (Yeah, I had my fun), und an das, was ich mir danach gedacht habe und was ich mir seither alles zusammengereimt habe über ihre Lebensverhältnisse dort drüben. Mehrfach schon habe ich darüber geschrieben, was ich an dem Abend damals gehört habe. Aber ich habe es immer für mich behalten, was ich mir damals gedacht habe und welche Schlussfolgerungen ich bis heute daraus ziehe. – Das alles für mich behalten, weil es Vorstellungen mit zu vielen Unbekannten sind. Aber hat es in dieser Geschichte schon einmal etwas anderes gegeben als Vorstellungen mit zu vielen Unbekannten? – Neues Kapitel. In dem Kapitel sollen die offenen Fragen beantwortet, es soll eine Erklärung gefunden werden für das, was ich erlebt habe. Beim Ansehen eines Films werden Vorstellungen, die ich schon lange habe, wieder lebendig. Es gab immer einen Widerstand in mir, diese Vorstellungen auszusprechen. Gestern wieder. Auch deshalb habe ich den Text gestern nicht hingekriegt. Neues Kapitel. Am Anfang des Kapitels steht eine Hypothese. Die Vorstellungen mit den vielen Unbekannten werden ausgesprochen. Fortsetzung folgt.