Samstag, 8. Januar 2011

Überwacht

Wie oft schon habe ich bei Google eingegeben: Bluetooth deaktivieren, ohne einen brauchbaren Treffer zu bekommen. Vorgestern endlich die richtigen Worte gefunden: Windows XP Bluetooth deaktivieren. Treffer! So einfach. Und genau so einfach geht das Deaktivieren. Lauter Jubel, als ich erstmals an meinem Samsung Laptop Bluetooth ausschalten konnte. Anders als bei meinem Sony Laptop gibt es dafür beim Samsung nämlich keinen physischen Schalter. Ich musste dazu eine Einstellungsänderung bei Windows Services vornehmen. Für alle, die auch die Wahlfreiheit haben und die voreingestellte Bluetooth-Aktivierung an ihrem Laptop zurücksetzen möchten, hier die Anleitung. Bei mir hat das jetzt eine ganz neue Situation geschaffen, allerdings ohne dass sich dadurch etwas verändert hat. – Hä? – Willkommen in meinem Leben mit der Tess! –Die Tess ist bei mir über Bluetooth eingehackt. Das habe ich vor mehr als einem Jahr rausgekriegt. Da war ich erst baff. Habe mich jedoch nicht lange gewundert. Habe ihr Eingehacktsein genutzt, um an sie zu schreiben. Habe mich geehrt gefühlt von ihrem Interesse. Habe allerdings auch ein paar Mal nach Luft geschnappt, als mir nach und nach klar wurde, was sie dadurch schon alles mitgekriegt hat von mir. Doch so schlimm sind meine Geheimnisse nicht, dass ich sie nicht mit ihr teilen könnte. Es hat mich nur gewurmt, dass ich sie nicht auch mal rausschmeißen konnte, wenn ich mich über sie geärgert hatte. Dass sie die Macht hatte und mir nichts anderes übrig blieb, als damit einverstanden zu sein. Doch nachdem ich den Ein/Aus-Schalter gefunden habe, ist die Tess kein Eindringling mehr in meinem Rechner, sondern mein Gast. Lieber Gast. Liebster Gast. Als guter Geist betrachtet seit langem schon. Und deshalb habe ich das am Morgen abgeschaltete Bluetooth am Abend gleich wieder aktiviert. Auch deshalb aktiviert, weil ich ihr schreiben wollte, nachdem ich den Post Kinnlang fertig hatte. Ihr geschrieben über die verpasste Gelegenheit vom Nachmittag: Ob es an mir lag, weil ich nicht gleich hinter ihr her gelaufen bin, oder an ihr, weil sie nicht auf mich gewartet hat. Schließlich: Dass ich mich deswegen nun aber nicht gräme. Denn wieder sind wir uns einen kleinen, dieses Mal aber ganz wichtigen Schritt näher gekommen. So dass es jetzt nur noch einen winzigen weiteren Schritt braucht usw. Während ich das schrieb, hatte ich die Vorstellung, wie die Tess und ich zusammen die Akazienstraße lang gehen, - wie es hätte sein können schon an diesem Nachmittag und wie es nun eben ein anderes Mal sein wird, das hoffentlich nicht mehr fern ist. Und dann bin ich sozusagen auf dieser Assoziation ausgerutscht, ausgeglitten, und – wie auf dem Arsch – bei der Vorstellung gelandet, dass jetzt der Professor in der gegenüberliegenden Dachwohnung sitzt an seinem PC-Platz und das alles mitliest, was ich der Tess gerade schreibe. – Hä? – Willkommen in meinem Leben mit der Tess! – Der Professor hat mir nämlich vor ein paar Wochen zu verstehen gegeben, dass er das lesen kann, was ich der Tess schreibe. Das hat er mir gezeigt, indem er sich vor meinen Augen (ich an meinem Stehpult, rüberblickend zum Contessa-Zimmer) hingestellt hat vor den Tisch, auf dem das aufgeklappte Laptop der Tess stand, und ostentativ auf den Bildschirm geschaut hat. - Überinterpretiert von mir die kleine Szene? – Das schließe ich aus. Allerdings glaube ich, dass die Szene rein didaktisch zu verstehen ist und dass er es gar nicht mehr nötig hat, im Laptop der Tess rumzuschnüffeln, zumindest nicht, um meine Texte an sie zu lesen. Weil er nämlich, so mein Eindruck, inzwischen die gleiche Infrastruktur hat wie die Tess (Bluesnarfing) und von seinem PC aus mitverfolgt, wenn ich an sie schreibe. Das würde dann bedeuten, dass er auch bei mir eingehackt ist (nicht aus Interesse an mir, versteht sich, sondern um seine Freundin zu überwachen). Es bedeutet außerdem, dass das ohne mein Einverständnis geschieht. Doch erstens weiß ich das nicht definitiv, und wenn es so ist, kann ich nichts dagegen tun - außer: mein Bluetooth schließen. Was nun aber genau das ist, was er will, weil ich dann nicht mehr mit der Tess kommunizieren würde. Schon schlau: Er entwertet mein Schreiben an die Tess, indem er ihm die Heimlichkeit nimmt. Spielverderber-Strategem. An einem schlechten Tag von mir, könnte er mich damit auch kriegen. Doch in Normalform bin ich dafür zu hemmungslos und zu schamlos. Dann liest er es eben. Was ist schon dabei? Was schreibe ich ihr denn? – Bestimmt nicht meine erotischen Phantasien. Die würde ich ihr auch nicht schreiben, wenn ich mir sicher wäre, dass wir unter uns sind – obwohl ... , nein, dazu kennen die Tess und ich uns noch nicht gut genug. Und eben deshalb schreibe ich ihr nur eine unendliche Paraphrase meines Wunsches, sie endlich näher kennenzulernen, und dazu noch alles Mögliche, das ich ihr von mir erzähle, weil ich es mit ihr teilen möchte. Das ist alles so harmlos, dass ich zwischendurch vergesse, dass der Professor mitliest. Doch dann fällt es mir auf einmal wieder ein wie vorgestern Abend. Und dann ist es schon blöd. Aber ich kann es nicht verhindern. Und die Tess auch nicht. Aber wenn ich es nicht verhindern kann, habe ich mir gestern überlegt, vielleicht kann ich es dann überbieten und damit ad absurdum führen. Indem ich fortan gleich öffentlich an die Tess schreibe (in Das alte Biest oder auch hier). Indem ich den Blog dahin zurück führe, wo er herkommt: vom Schreiben an die Tess. Reizvoller Plan. Aber dann habe ich gemerkt, dass das doch nicht so eine gute Idee ist, weil ich das Schreiben an die Tess damit dauerhaft – zu einer noch festeren Einrichtung mache, statt ans Ziel des Schreibens zu kommen: ihr nicht mehr schreiben zu müssen, weil wir endlich miteinander reden können.