Samstag, 29. Januar 2011

Träge

Abends schaue ich mir an The American von Anton Corbijn; einen melodramatisch extrem verlangsamten Thriller mit George Clooney, den ich nie besser gesehen habe als hier, und den beiden schönen Frauen Violante Placido und Thekla Reuten; die eine in der Rolle der gut angezogenen Edelprostituierten Clara, die andere als Profikillerin Mathilde und auch gut angezogen. Der Film kann gelesen werden als Western. Doch darauf komme ich trotz plakativem Sergio-Leone-Zitat erst, als ich mir hinterher das Making of anschaue, in dem Anton Corbijn erklärt, dass er sich den Film so gedacht hat. Die Totalen auf die karge Gebirgslandschaft der Abruzzen (Italien), das von George Clooney mit bewundernswertem Geschick zusammengebaute Präzisionsgewehr, der einsame Held, der dann aber nicht einsam bleibt, und das wird ihm zum Verhängnis. Will nicht mehr verraten. Nur: Das Ende der Geschichte könnte nicht bitterer sein. Trotzdem zum ersten Mal ein gutes Gefühl an diesem Tag, an dem ich mich die längste Zeit so schlecht gefühlt hatte, dass ich zwischendurch mal dachte, es wird nie wieder gut, und dumm bin ich außerdem noch. Dafür gibt es zwei Gründe. Der eine Grund ist, dass ich nun doch weiter über den Schlub schreibe. Schon die ganze Woche, jeden Vormittag. Stur. Obwohl nichts Gutes dabei entsteht und das Schreiben mich so runterzieht, dass ich hinterher jedes Mal völlig fertig bin. Gestern so bleiern müde hinterher war, dass es sich angefühlt hat wie der Anfang einer schweren Grippe. Nur noch dreimal kräftig Niesen und es wäre so gewesen. Doch dann bin ich raus, habe mich bewegt, habe mich mit anderem beschäftigt, das Bleierne war weg, und deshalb habe ich gestern Abend nach dem Film beschlossen: neues Leben! Und das fängt damit an, dass ich aufhöre, auf den Erinnerungen an den Schlub rumzuschreiben. Mit der Erleichterung darüber ins Bett und heute Früh, was mache ich nach dem Aufwachen? - Überlege mir, wie ich gleich weitermache mit dem Schlub-Text. Um bald zu einem Ende zu kommen. Aber eben weiter. Weil ich jetzt auch schon so viel Text habe, kein guter Text, aber das ist nun mal von Text über den Schlub und mich nicht zu erwarten. Dafür aber ein guter Titel: Arbeit am Verdorbenen. Zitat aus dem I Ging. Zeichen 18, Gu: Die Arbeit am Verdorbenen hat erhabenes Gelingen. - Heute endlich mal das Guggenheim-Ereignis beschrieben. So wie es jetzt da steht, keine große Sache. Es war eine Zurechtweisung. Der Schlub hat mich zurechtgewiesen. Und darüber habe ich mich aufgeregt. Was wahrscheinlich genau das war, was er wollte. Mehr ist nicht passiert. - Nach dem Schreiben heute mich nicht bleiern müde gefühlt, aber trotzdem nicht gut. Befremdet von mir selbst, von meiner Hartnäckigkeit, mit der ich immer weiterschreibe, obwohl ich jeden Tag wieder erkenne, dass es nichts wird, dass es nicht losgeht, dass ich zu nichts komme, was ich nicht schon weiß. – Danach wieder schnell raus. Zum Winterfeldmarkt, um Kartoffelsalat zu kaufen am Stand von Butter Lindner, und um jemanden zu überfallen in einem der umliegenden Cafés. Doch Kartoffelsalat war schon ausverkauft und die Person, die ich überfallen wollte, war nicht da. Dafür auf der Goltzstraße die liebenswürdige Isolde getroffen, Frau von Amadeus, der hier auch endlich mal auftreten könnte. Isolde sieht mich von der Seite an und sagt: Deine Haare sind lang geworden. – Ich: Die sind so lang wie immer. – Isolde: Aber sie waren doch mal kürzer. – Ich: Vor sieben Jahren. – Isolde: Oh! – Ich tröste sie, indem ich ihr erzähle von einer Frau, Gabi, die zu einem Bekannten- und Freundeskreis zählte, mit dem ich mich in den 80er und 90er Jahren regelmäßig zum Essen getroffen habe. Eines Abends zünde ich mir eine Zigarette an nach dem Essen und Gabi, sie sitzt mir gegenüber, schaut mir dabei entgeistert zu und sagt: Du rauchst?! – Sie hatte mich schon unzählige Male rauchen gesehen, aber die Wahrnehmung nicht an sich rangelassen, weil, wie sie jetzt erklärte, sie in mir eine solche Vernunftsperson gesehen hat, dass sie es für ausgeschlossen hielt, dass ich rauche (nicht geklärte Frage, was an dem Abend, als sie es endlich bemerkte, dass ich rauche, anders war). Nachdem ich Isolde das zu ihrer Entlastung erzählt habe, sagt sie: Es ist schon erstaunlich, wie der menschliche Geist arbeitet. – Und ich füge aus aktuellem Anlass hinzu: Und wie er nicht arbeitet. Wie träge er ist. –Stichwort des Tages: Träge. Dieses sture Festhalten an etwas. Genannt Hartnäckigkeit. Am Ende nur Trägheit? – Mal sehen, ob ich mich damit rumkriege. Aufzuhören mit dem Schreiben über den Schlub. Morgen Vormittag endlich was anderes zu machen. Aufzuhören damit, mich runterzuziehen. Meine Trägheit zu überwinden?