Von allen Texten, die ich in den letzten drei Wochen über den Schlub geschrieben habe, werde ich nur einen dokumentieren. Text vom Montag. Denn die Texte davor zeigen nur, wie es nicht geht. Auf keinen Fall nach dem Muster: der Schlub ist so und so – hat zum Beispiel einen grobianischen Materialismus. Denn den hat er in meinen Augen, wie er in den Augen von anderen erscheint, weiß ich nicht. Und wie er in Wirklichkeit ist, schon gar nicht. Das weiß nur er. – Es hat auch zu nichts geführt, mich selbst in den Mittelpunkt und zugleich in Frage zu stellen – um nicht zu schreiben über den Schlub, sondern darüber, was mir passiert ist mit ihm, und zu betrachten, was ich für einer bin, dass mir so etwas passiert. Dabei ist mir klar geworden, dass ich in der Zeit, als es losging mit den Unerfreulichkeiten zwischen mir und dem Schlub, ein ganz und gar uninteressanter Mensch war. Und dass das die Erklärung dafür sein könnte, dass der Schlub mit mir nichts anderes mehr anzufangen wusste, als mir zu zeigen, was aus ihm geworden ist. Aber auch dieser Ansatz hat nichts gebracht. Jeden zweiten Tag finde ich einen neuen Ansatz und am Abend habe ich schon wieder ein Unbehagen daran. Ganz hoher Schwierigkeitsgrad. Zu bewältigen wahrscheinlich nur, wenn ich es schaffe, einfach drauf los zu erzählen und keine so große Sache daraus zu machen, wie ich immer denke, dass sie es sein müsste. - Text vom Montag:
Da der Schlub hier (noch) nicht mitmacht, kann ich nicht von unserem gemeinsamen Festhalten an unserer Freundschaft trotz zunehmender Unerfreulichkeit erzählen. Ich kann nur erzählen von meinem Festhalten trotz zunehmender Abneigung. Die Abneigung ausgelöst durch eine Zurückweisung meiner Person, die eine inszenierte Zurückweisung war. – Das war die Pointe des Guggenheim-Ereignisses. Nicht, dass es an diesem Nachmittag etwas Wichtigeres für den Schlub zu tun gab, als seine Zeit mit mir zu verbringen – so dass ich mich als nach Hause geschickt betrachten konnte. Die Pointe war, dass er das vorbereitet, also inszeniert hatte, sich so mir gegenüber zu verhalten: dass er sich nur mit mir verabredet hatte, um mir das zu zeigen. – Zu bemerken, dass ein Muster zu erkennen ist: Bei der Verweigerung der Bitte um Hilfe war die größte Enttäuschung nicht, dass er sie mir verweigert hat, die größte Enttäuschung war, wie er das gemacht hat. Indem er sich entzogen und mich mit einer Lüge (*) abgefertigt hat, die sehr ausgefeilt war und von mir nur deshalb als solche erkannt wurde, weil ich über Erfahrungen mit Fiktion verfüge. Also wieder eine Inszenierung. Er könnte sein, das er häufiger mit Inszenierungen arbeitet. Das ist bemerkenswert, aber darum kann es nicht gehen. Es kann nur darum gehen, dass er mit mir auf diese Art kommuniziert. Um mich kann es nur gehen. Dass mit mir so kommuniziert wird und wie ich damit umgehe, nur davon kann ich erzählen, weil ich nur darüber alles weiß. Über die Motive des Schlub, sich so zu verhalten in einer Kommunikation weiß ich nichts. Dazu müsste ich zum Beispiel wissen, ob er das in anderen Kontexten auch macht, sich über Inszenierungen zu verständigen und so seinen Willen durchzusetzen. Wenn ich das herausfinden wollte, müsste ich es recherchieren, müsste ich Leute befragen, die mit ihm zu tun haben. Aufwendig. Zu aufwendig. Dazu ist der Schlub nicht wichtig genug. Das ist ähnlich wie damals, als er seinen Angebergeburtstag (50 Jahre) auf einer Mittelmeerinsel gefeiert hat (denkt, es war Sardinien, auch wenn es nicht Sardinien war), und ich ihm sagte: Wenn du bei dir zu Hause in Krefeld feiern würdest, da würde ich hinkommen, da es dein 50. Geburtstag ist. Aber mich in ein Flugzeug zu setzen nach Sardinien, mich in einer Pension einzumieten, für all das Geld zu bezahlen, damit ich dabei sein kann bei deiner Geburtstagsfeier dort, wohin Du selbst nur hinfährst mitten im Winter, um deinen Geburtstag zu feiern, also nicht, weil du ohnehin da bist wie im Hochsommer, sondern nur, um dich dort zu präsentieren, ich könnte auch sagen anzugeben, dazu, Schlub, bist du nicht wichtig genug. Mir nicht wichtig genug und überhaupt nicht wichtig genug. – Das habe ich ihm zweimal gesagt. Einmal im Februar, als wir alleine zusammensaßen. Und dann noch einmal im Juni bei einem Mittagessen im Einstein Unter den Linden, bei dem seine Frau zugegen war und ihre vier Kinder. Die habe ich bei dieser Gelegenheit kennengelernt und ich war beeindruckt von der Frau und die Kinder haben mir auch gefallen, mehr noch als die Kinder allerdings die Art, wie die Frau mit ihren Kindern umgegangen ist. Gestandene Frau. Und: Attraktive Frau. So attraktive Frau, dass ich mich schon gefragt habe, wie der Schlub zu so einer Frau kommt. - Sein Geld? Die Versorgung? – Als wir nach dem Essen aufgestanden sind, bei dem die Frau neben mir gesessen hat, da habe ich sie dann auch von hinten betrachtet und bemerkt, dass sie nicht so tolle Beine hat wie sie sonst aussieht (**) Also doch nicht so eine attraktive Frau, habe ich darauf gedacht. So bin ich.
Als ich es dem Schlub zum ersten Mal gesagt habe, dass ich zu seinem Angebergeburtstag nicht kommen will, dieses Wort gebrauchte und ihm erklärt habe warum, da hat er geantwortet, genau so hätte sich auch eine alte Freundin von ihm geäußert, und schien dabei auch die frotzelnd gemeinte Bezeichnung Angebergeburtstag gelassen hinzunehmen. Beim zweiten Mal, als ich es in Anwesenheit seiner Frau und seiner angeheirateten Kinder wiederholt habe, dass ich nicht kommen werde (und dabei wegen der Frau und der Kinder darauf verzichtet habe, das Wort Angebergeburtstag zu verwenden), da hat er nur verständnislos den Kopf geschüttelt und schien verbittert. Auf meine als Entgegenkommen gemeinte Bemerkung, wenn er mir das Flugticket bezahlt und ein anständiges Hotelzimmer, dann könnte ich mir vielleicht vorstellen, seiner Einladung nach Sardinien zu folgen, ist er allerdings nicht eingegangen. Worauf ich mir gedacht habe, dann kann es ihm so wichtig auch wieder nicht sein, dass ich dabei bin; dann ist es ihm mal wieder nur darum gegangen seinen Kopf durchzusetzen. An seinem Geburtstag habe ich ihm dann eine Mail geschickt. Die ist mir launiger geraten, als ich es wollte, weil mir keine herzlichen Worte eingefallen sind. Ich habe das Wort Angebergeburtstag aufgegriffen in der Mail, indem ich ihm u.a. schrieb, dass ich ihm viel Erfolg und Freude wünsche bei seinem Angebergeburtstag und ihm wünsche, dass alles so sein wird, wie er es sich vorgestellt hat. - Zwei Wochen später, nachdem er schon längst wieder zu Hause in Krefeld war, hat er geantwortet auf meine Mail, erbost über das Wort Angebergeburtstag und darüber, dass ausgerechnet ich mich so äußere, ich, der ich noch nie eine Feier ausgerichtet hätte. Und gegen Ende hat er geschrieben: Schade. Schade. Schade. – Was mir besonders dämlich vorgekommen ist, diese schade, schade, schade. Und dass ich noch nie eine Feier ausgerichtet hätte, stimmte einfach nicht. Ich hatte noch nie eine große Feier ausgerichtet. Das ist nicht meine Art, obwohl ich schon Spaß daran hätte, nur hat mir bei den passenden Gelegenheiten die Lebensgefährtin gefehlt, mit der zusammen ich vielleicht eine solche Feier ausgerichtet hätte. Alleine nun aber nicht. Allerdings habe ich den Schlub einmal zusammen mit einem Paar, mit dem ich eng befreundet war, zu einer kleinen Feier eingeladen. Zu einem für meine Verhältnisse sehr teuren Geburtstagsessen in einem Restaurant. Unvergessen für mich dabei übrigens das Geburtstagsgeschenk vom Schlub: zwei CDs, in die ich danach mehrfach versucht habe, mich einzuhören, bis mir eines Tages klar wurde, dass er die aus guten Gründen aus seiner umfangreichen CD-Sammlung aussortiert hatte. – In meiner Mail habe ich allerdings seine Behauptung, ich hätte nie Leute eingeladen, nicht richtiggestellt, sondern mich darauf konzentriert, ihm die Freundschaft zu kündigen. Es hatte aus meiner Sicht schon hässlichere Auftritte des Schlub gegeben. Aber die Beschimpfungen in seiner wütenden Mail (ich habe daraus nur den einen Punkt zitiert, weil ich mich nur noch an den erinnern kann), das war für mich der eine hässliche Auftritt zu viel. Da wollte ich den Schlub nur noch hinter mir haben. Einen ganzen Nachmittag lang habe ich an dieser Mail gesessen. Mein Ehrgeiz war, ihn mit keinem Wort anzugreifen, und trotzdem ihn spüren zu lassen, wie dringend es mir ist, fortan nichts mehr mit ihm zu tun haben. Ganz konkret ging es mir auch darum, ihm keinen Anlass zu geben, auf meine Mail zu antworten, weil ich so eine Mail wie seine wütende Mail nicht mehr bekommen wollte. Leider habe ich diese Mail nicht archiviert. Zehn Zeilen Text, für die ich einen ganzen Nachmittag gebraucht habe, weil ich so lange daran feilte, bis ich mir sicher sein konnte, dass ihm nichts anderes übrig bleiben würde, als meinen Wunsch, die Freundschaft zu beenden, hinzunehmen. Das war die einzige und als solche auch geplante Bösartigkeit meiner Mail, ihn daran zu hindern, auf meine Mail zu antworten. Vier Jahre lang habe ich nichts mehr von ihm gehört. Manchmal habe ich an ihn gedacht. Es nie bedauert, keinen Kontakt mehr mit ihm zu haben. Es nicht bereut, ihm die Freundschaft gekündigt zu haben. Allerdings auch keinen Groll mehr gegen ihn gehabt. So dass ich, als eine gemeinsame Freundin in seinem Auftrag vorfühlte, wie ich reagieren würde, wenn er auf mich zukäme, nichts dagegen hatte. Darauf hat er mir einen Brief geschrieben und ein Treffen vorgeschlagen für eine Aussprache. Bereits in seinem Brief wurde klar, warum er diesen Zeitpunkt gewählt hatte. Es ging wieder um eine Feier. Die Bat Mitzwa seiner angeheirateten Tochter, die als einziges seiner angeheirateten Kinder zum Judentum übertreten wollte - um ihrem angeheirateten Vater, dem sie von allen Kindern am nächsten steht, eine Freude zu machen, dabei allerdings auch nicht so viel zu verlieren hatte wie ihre drei Brüder.
Liegen ein kleiner jüdischer Junge und ein anderer kleiner Junge in einem Krankenhauszimmer. Beide sollen sie am nächsten Tag operiert werden und machen sich deshalb große Sorgen. Dem jüdischen Jungen sollen die Mandeln entfernt werden. Tröstet ihn der andere Junge: Ach, das ist doch gar nicht schlimm. Im Gegenteil, da darfst du hinterher ganz viel Eis essen. – Will der jüdische Junge den anderen Jungen auch trösten und fragt: Woran sollst du operiert werden? – Ich habe eine Phimose, antwortet der andere Junge. Ich soll beschnitten werden. – Oh, oh, oh, sagt der jüdische Junge. Das ist schlimm. Ich bin acht Tage nach meiner Geburt beschnitten worden. Hinterher konnte ich über ein Jahr lang nicht laufen.
(*) Lüge nach meiner Ansicht. Ob es wirklich eine Lüge war, das weiß nur der Schlub.
(**) Nicht so tolle Beine in meinen Augen. Wie überhaupt alles hier nur in meinen Augen ist. Auch das Guggenheim-Ereignis. Obwohl ich in diesem Fall auf den Subjektivitäts-Vorbehalt verzichten könnte. Bei unserer Aussprache konnte sich der Schlub nämlich nicht mehr daran erinnern, was er da gemacht hat. Folglich habe ich das Guggenheim-Ereignis exklusiv und könnte nun eigentlich erzählerisch damit machen, was ich will. Was ich aber nicht tun werde. Es ist auch so schon ungewöhnlich genug. Um so verwunderlicher daher, dass der Schlub sich nicht daran erinnert.