Montag, 27. September 2010

Umzug

Süchtig 2, gestern geschrieben als Fortsetzung des Posts vom Samstag, steht in Das alte Biest. Dort hat auch begonnen die Ausstellung der Fotos von Peter L.: NACKTE WÄNDE in Kreuzberg. Weitere Posts mit Fotos von Peter - die dann ausgewählt von ihm selbst - werden folgen. Peter L., so hat er sich früher immer am Telefon gemeldet, wegen der Länge seines Nachnamens oder weil er ihn als zu pompös, als nicht typgerecht empfunden hat. Das hat sich dann im Freundeskreis durchgesetzt, ihn so zu nennen: der Peter L. oder einfach nur der L. - Mittlerweile meldet er sich nur noch mit einem unwilligen bis übellaunigen Ja? Das wird neuerdings immer leiser. Es geht ihm nicht gut. Es stimmt etwas nicht mit ihm. Vielleicht ist es ja ganz leicht zu beheben? - Wie immer hat der Außenstehende leicht reden. Auch wenn der Außenstehende ich bin und sich so viele Gedanken macht wie ich über alles und jeden. Was nicht nur liegt an meiner übergroßen Empathie, die habe ich außerdem noch (schlimm!), sondern auch liegt an der geringen Zahl meiner sozialen Kontakte. Da kann es leicht passieren, dass eine Formulierung in einer Mail mir tagelang nicht aus dem Kopf geht. Die Formulierung, die ich damit meine, ist aber auch wirklich merkwürdig. Ich hatte in meiner Mail geschrieben etwas Persönliches als Vorbemerkung und dann eine Frage gestellt. Der Adressat geht in seiner Antwort auf das Persönliche kurz ein, beantwortet meine Frage klar und vollständig und fügt dann - völlig unnötig, entgegen seiner sonstigen Art - hinzu nicht nur den üblichen Gruß, sondern schreibt: Dies in aller Kürze (bin ein bisserl im Stress) dafür aber umso herzlicher grüsst Dich ... . – Ungewöhnlich; oder spinne ich? Wenn er so in Eile ist, warum macht er sich die Umstände und schreibt das noch hin? Er hat doch alles gesagt? Er muss nur noch schreiben Herzlichen Gruß, und damit gut. So jedoch denke ich sofort, dass das irgendwie verräterisch ist. Dass mit dem Hinweis auf die Eile etwas zum Ausdruck kommt und mit dem überschwänglichen Gruß will er es gleich wieder dementieren. Was? - Das Abwimmlerische, das ich empfinde als Botschaft hinter der unnötigen Bemerkung: Bin in Eile. Habe keine Zeit für Dich. Habe Wichtigeres zu tun. Komme also bloß nicht auf die Idee, etwas von mir zu wollen, das Du möglicherweise willst. - Und weil er als bayrischer Katholik reflexartig ein schlechtes Gewissen hat wegen dieser Art, mit dem sogenannten Nächsten umzugehen, hinterher die Reinwaschung von Schuld mit der großen Herzlichkeit. – Nun könnte ich zwar tatsächlich etwas wollen von ihm: Ihn fragen, ob er einen Auftrag hat für mich. Oder ich könnte ihm ein Projekt anbieten wollen. Aber das hatte ich überhaupt nicht vor. Und deshalb fühle ich mich nun schlecht behandelt - zurückgewiesen, abgewimmelt, obwohl ich gar nichts wollte. Als aufdringlich hingestellt, obwohl ich weit entfernt davon war es zu sein. Was nicht passiert wäre, wenn er es bei einer knappen sachlichen Mitteilung belassen hätte und bei einer Grußformel, die nicht gerade LG xxxxx lautet. – Ich bin hypersensibel? Und wie! Und damit noch lange nicht genug. Denn jetzt kommt die Nachdenklichkeit: Rede ich mir das nicht nur ein? Hat er möglicherweise nur den Schwung, in dem er gerade war in seiner Eile, hat er den gewissermaßen Live zum Ausdruck gebracht? – Kann sein. Kann aber auch sein, dass er sich gerade deshalb verraten hat, weil er so im Schwung war. – Frage ich ihn doch einfach, denke ich. Schreibe ich ihm und spreche ihn an auf meine Irritation. Befremden werde ich damit nicht auslösen, weil meine Überempfindlichkeit ihm bekannt ist. Aber mache ich damit nicht eben das, was er vermeiden wollte? Denkt er dann nicht, ich will  mich bei ihm einmenscheln und in Wahrheit will ich was ganz anderes von ihm. Will ich aber nicht. Also schreibe ich ihm nicht. Werde keine Erklärung bekommen für seine Formulierung. Finde mich ab. Und damit gut. Bin nämlich heute auch ein bisserl in Eile. Wegen Umzugsvorbereitungen. Das Biest zieht um. Morgen ist hier Schluss. Morgen gibt es hier den letzten Post. Titel: Umleitung. Und dann geht es weiter im Nachfolge-Blog: Biest zu Biest. Wie von Biest zu Biest, wie sagt ein Biest zum anderen, wie face to face. Biest zu Biest.