Samstag, 4. September 2010

Nachtgeschichten

Text, der es gestern nicht hier rein geschafft hat, den ich nun aber doch hier stehen haben möchte. Text von gestern: Die Lust, Pöbel zu sagen. Die Lust, Arschloch zu sagen. Zugleich zu wissen, dass es nicht richtig ist, Pöbel oder Arschloch zu sagen. Pöbel zu sagen noch weniger richtig als Arschloch zu sagen, was auch eine Erleichterung sein kann und schnell auch wieder gut gemacht ist, wenn einer nicht ein solches Arschloch ist, dass er sich hinterher hinstellt und eine Entschuldigung in aller Form verlangt mit einer Haltung, dass man denkt, warum trägt der heute eigentlich nicht seine SA-Uniform, und man jetzt erst recht nicht bereit dazu ist, sich auch nur formlos zu entschuldigen oder sonst wie Abbitte zu leisten, sondern sich bestätigt fühlt in etwas, das eigentlich gar nicht so schwerwiegend gemeint war, so dass das für den A-Wort-Gebrauch gegenüber díeser Person erhaltene Schulterklopfen von anderen, die auch schon immer dieser Meinung waren, eher als irritierend empfunden wurde. Was jetzt nichts, überhaupt nichts mit dem erwähnten Fall des A-Wort-Gebrauchs gegenüber Michael Friedman zu tun hat, sondern mit einer der Nachtgeschichten, von denen ich irgendwann mal das Gefühl hatte, zu viele davon erlebt zu haben, und mich unter anderem deshalb zurück gezogen habe in die Einsamkeit, von der ich nicht weiß, ob sie wirklich gut für mich ist. Ende Text von gestern. „Warum trägt der heute eigentlich nicht seine SA-Uniform“. Um das zu erklären, falls jemand die gemeinte Person erkennen sollte: Das ist eine wilde Assoziation, die ich in dem Moment hatte, als diejenige Person vor mir stand in ihrer …. – ich verkneife mir die Charakterisierung – und ich mir dabei vorgestellt habe, wie es einmal gewesen sein muss, wenn so einer Macht über dich hatte. Doch will ich damit auf keinen Fall dieser Person eine Nähe unterstellen zu einer Welt, in der SA-Uniformen vorkamen oder in Abwandlungen noch immer vorkommen. Wilde Assoziation. Mehr nicht. Mehr auch nicht über die gemeinte Person. Lieber eine andere Nachtgeschichte. Vor vielen Jahren passiert. Auch in der Pinguin Bar. Nicht viel los. Unbekannter Gesprächspartner. Münchner. Bodenständiger Mann, sehr bodenständiger Mann, wie sich gleich zeigen wird. Ich sarkastisch, wie ich sowieso sein kann und spät in der Nacht noch mehr. Kann mich nicht erinnern, was ich gesagt habe, nicht mal mehr worum es ging. Auf jeden Fall hält er das nicht aus, was ich gesagt habe, und knallt mir eine. Nicht so, dass es mich vom Hocker gehauen hätte oder dass ich danach den Abdruck seiner fünf Finger im Gesicht gehabt hätte, doch schon so, dass ich es gespürt habe. - HEY! Was passiert jetzt? - Gosto, der Barkeeper des Abends, kommt, beugt sich zu uns vor und fragt: „Und ihr, ihr kommt zurecht?“ – So wie er auch hätte fragen können: Und ihr, ihr habt noch alles? Oder: Wollt ihr noch ein paar Erdnüsse oder noch ein Bier? – Und ihr, ihr kommt zurecht? - Der Mann aus München nickt ganz brav, sichtlich erschrocken über die Backpfeife, die er mir gerade verpasst hat. Ich sehe das und das hilft mir einzuordnen, was gerade passiert ist: Der kommt aus München. Der hat jemanden wie mich noch nie erlebt. Er ist sehr bodenständig. Es ist schon sehr spät. Und deshalb nicke ich auch. Ja, wir kommen zurecht. Alles in Ordnung, Gosto. - Der Münchner und ich, wir haben das Gespräch fortgesetzt und am Ende hatte ich mehr getrunken, als ich wollte, denn die Drinks abzulehnen, die er mir unbedingt ausgeben wollte, hätte bedeutet, seine Entschuldigung nicht anzunehmen. - Und ihr, ihr kommt zurecht? - Gosto. Souveränster Barkeeper-Spruch, den ich gehört habe. Nachtgeschichte. Keine Bewerbung. Das ist schon gut so mit dem Lokalverbot.