Sonntag, 19. September 2010

Nackt

Peter hat seit drei Tagen Schluckauf.  Und dass wir heute keinen dritten Versuch machen können mit meinem Gesicht, wieder mit Spiegelreflexkamera, aber jetzt mit natürlichem Licht, das ist noch das geringste Problem. Sein Hicks  kommt in Abständen von etwas 30 Sekunden. Und alle bekannten Methoden, ihn wegzukriegen haben  bislang versagt. Gestern, als er mit Honorata zusammen war drei Stunden lang, ging der Hicks vorübergehend weg.  - Ablenkung hilft. Ablenkung und Entspannung. Bei mir findet er die nicht.  Unser Telefongespräch ist von Anfang bis Ende begleitet von seinem Schluckauf.  Ich denke, ich lasse ihn jetzt besser in Ruhe, und  will das  Gespräch schnell beenden. Doch dann will er noch was ansprechen. – Was kommt jetzt? - Er holt aus. Ein Freund, ehemaliger Zeit-Redakteur hat ihn befragt zum Thema Sozialarbeit. Richtig ausgesaugt hat der ihn.  Und dann darüber einen Artikel veröffentlicht im Merkur. Peters Input verteilt auf mehrere Personen, die er erfunden hat, um den Eindruck zu erwecken, dass er nicht nur mit Peter gesprochen hat. Kein Problem. Aber:  Peter hat ihm eine CD gegeben mit seiner Fotoserie Nackte Wände.  Vor Wochen schon hat er ihm die CD gegeben. Und bis heute keine Reaktion darauf von ihm bekommen. Kein Wort.  - Oh. Jetzt weiß ich, worauf er hinaus will. Mir hat er auch eine CD gegeben. –  Peter: Er erwartet nicht gelobt zu werden. Für ihn ist das völlig in Ordnung, wenn jemand sagt, dass er da nichts mit anfangen kann oder dass er es scheiße findet. Aber gar nichts sagen, das ist nicht in Ordnung. - Das verstehe ich. Nur zu gut. Vor kurzem zu Michael: Liest du meinen Blog? - Er: Ähm, nein. - Ich: Also, wenn du einen Blog schreiben würdest, ich weiß nicht, ob ich den jeden Tag lesen würde, aber einmal die Woche würde ich bestimmt reingucken. - Ich jetzt zu Peter: Um ehrlich zu sein, ich habe die CD noch nicht angeschaut. Allerdings habe ich dir schon mal gesagt, was ich über die Mauerbilder denke. - Ja, aber das war, als ich gerade damit angefangen habe. Das hat sich ja weiter entwickelt. -  Verstehe, sage ich.  Die CD liegt auf dem Stuhl, auf dem all die Sachen liegen, die ich mir demnächst vornehmen will. - Da liegt sie auch. Aber die ganze Wahrheit ist, da kann sie in einem halben Jahr noch liegen. Ich verspreche, mir die CD mit den Fotos anzuschauen. Und ich gehe noch weiter: Ich werde die Fotos aus der Serie, die mir am besten gefallen, in einem meiner Blogs ausstellen. In den nächsten Tagen; heute schaffe ich das nicht mehr. - Dafür darf ich die Anekdote zum Titel erzählen: Peter kommt von der Aktfotografie. Bevor Peter einen Blick für die Details von Maueroberflächen entwickelt hat, hat er Freundinnen und auch schon mal Praktikantinnen fotografiert, wenn sie dafür aufgeschlossen waren. In einem Fall kam das heraus und er hat dafür einen Verweis von seiner Vorgesetzten bekommen. Mit dem Titel Nackte Wände spielt er auf diesen Vorfall an und signalisiert damit, dass er sich fotografisch einem anderen Sujet zugewandt hat, seinem eigentlichen Interesse aber treu geblieben ist.