Montag, 5. Juli 2010

Spaß

Absperrungen am Tiergarten. Gar nicht gleich kapiert, warum. Erst  weiter vorne am Grossen Stern: Na klar, wegen  WM Fanmeile. So sieht das also aus.  Riesenhafter portalartige Zugang gegenüber der Siegessäule.  Harter Eindruck. Harter Ausdruck von Jetztzeit.  Event- Infrastruktur. Fun-Maschine. Totalitarismus des Fun, denke ich verbittert.  Angewidert von der Schwarz-rot-gold-Ritualisierung der Fußballbegeisterung. Dabei ist das hier noch gar nichts. Bin mal in den Niederlanden gewesen während einer WM. In Den Haag. WM war in den USA. Abends spielten die Holländer im Viertelfinale, ich weiß nicht mehr gegen wen. Am Morgen in der Stadt alles in Oranje. Keine Straße ohne Wimpel-Girlanden. Kein Schaufenster ohne Fan-Devotionalien.  Die Bar, in der wir das Spiel geguckt  haben; der Barkeeper trug eine orangefarbene Fliege. Beim Schlusspfiff, als Holland das Spiel verloren hatte, nahm er die Fliege vom  Hals, legte sie zur Seite und sagte: Bingo! Im Straßenbild das Gleiche: Am nächsten Morgen kein Fitzelchen Orange mehr zu sehen. Es hat mich amüsiert. Warum amüsiert es mich hier nicht? Warum gönne ich den Leuten hier nicht ihren Spaß? Bin doch sonst nicht so. Warum widert  mich die Begeisterung hier so an, dass es mir meinen eigenen Spaß am Fußball verdirbt? – Keine Antwort. Im rausgeschmissenen Text von gestern habe ich  auf “Totalitarismus des Fun” rumgeschwurbelt.  Bis hin zum (ironisch gemeinten) Link zu Leni Riefenstahl, Triumph des Willens  und dem Karl-Kraus-Zitat über eine Zeit, "wo alle Individualität haben, und alle dieselbe, und die Hysterie der Klebstoff ist, der die Gesellschaftsordnung zusammenhält". Lächerlich. Nicht das Zitat, sondern mein Geschwurbele damit. Das Zitat von Karl Kraus ist aus Nestroy und die Nachwelt. Leni Riefenstahls Triumph des Willens  (1935) kann man in vollständiger Fassung bei video google.com sehen. Und dann ist mir nebenbei noch aufgefallen, dass die BILD-Zeitung ihr widerwärtiges "Schwarz-rot-geil"-Wording von 2006 aufgegeben  hat.