Samstag, 31. Juli 2010

Flip Flops

Ungeschick. Zerbrochenes Glas. Das  Mum  Deo Ohne Parfum mit 50 % mehr Inhalt. Die sind jetzt auch auf den Fliesen verteilt. Beim Aufwischen auf die Splitter achtgeben. Alle Splitter einsammeln. Badezimmer, Barfüßigkeit: reingetreten und schon fließt Blut und ein Splitter steckt im Fuß.  Barfüßigkeit. Deine nackten Füße in Deinen Flip Flops. Schlanke Fesseln? Kräftige Fesseln? Schlanke kräftige Fesseln? Daran kann ich mich nicht mehr erinnern. Doch wenn ich sie wieder sehe, werde ich sie sofort erkennen, die Beine sowieso und die Fesseln und die Füße in den Flip Flops mit den schwarzen Schlaufen. Detail für einen Tagtraum. Ich achte gar nicht auf die Frau, die sich neben mich setzt. Ich schaue mich gerade im Theatersaal um. Freier Eintritt, freie Platzwahl. Gerenne um die besten Plätze in den vorderen Reihen. Die üblichen Streitfälle wegen der Leute, die neben sich Plätze besetzen. Winken. Kommt doch endlich her!  Viele jüngere Leute, ältere Leute,  die älteren Leute bürgerliche Leute. Mann mit herunterhängendem rechten Augenlid im italienischen Sommer-Sakko mit dem Muster eines Pyjama.  Ich lehne mich zurück, strecke die Beine aus und sehe die nackten Füße in den Flip Flops der Frau neben mir, die ich in diesem Moment erkenne, obwohl sie gerade den Kopf wegdreht und sich umschaut so wie ich es eben getan habe .… . So hätte ich den Tagtraum eingeführt, ausgemalt mit beobachteten Details wie dem Sommer-Sakko mit dem Pyjama-Muster. So dass in der Beschreibung nicht zu erkennen gewesen wäre, dass es ein Tagtraum ist. Erst, wenn ich das Spiel abbreche mit dem Satz: Ich kann nicht sagen, was wir nach dem Theater gemacht haben, nicht weil ich es lieber für mich behalten möchte, sondern weil es leider nicht so gewesen ist, dass die Tess in der Vorstellung war und plötzlich neben mir gesessen hat. Der Spaß am Spiel mit dem Tagtraum hätte den Kalauer gerechtfertigt. Auf das Spiel habe ich verzichten müssen, weil ich gar nicht in der Vorstellung gewesen bin. Zweimal nichts, das wäre zu viel gewesen. In die Vorstellung bin ich nicht reingekommen, weil vor mir schon mehr als 380 Leute in der Warteschlange standen am Bühneneingang auf der Rückseite des Schaubühnen-Gebäudes und mehr als 380 Leute konnten sie nicht rein lassen. Bestimmt doppelt so viele waren gekommen. Mit diesem Andrang hatte niemand gerechnet. Die Schaubühnen-Leute nicht. Wir nicht. Wir, wir sind alle Abonnenten des Schaubühnen-Newsletters, in dem zu der Generalprobe der Othello-Inszenierung von Thomas Ostermeier eingeladen worden war. Im Weggehen meinte einer, dass der Termin auch auf einer Website mit Kostenlos-Angeboten gestanden hat. Ja, dann! – Danach das Gefühl, jetzt habe ich frei. Was mache ich jetzt mit dem Abend? - Zu Hause später Licht gesehen im Contessa-Zimmer. An die Tess geschrieben. Ihr erzählt vom Stehen in der Schlange. Von den Leuten um mich herum. Vom Tagtraum, über den ich jetzt nicht schreiben kann, weil ich nicht reingekommen bin. Von meiner Erinnerung an sie mit Flip Flops. Die Sexiness von Frauen mit schönen Beinen im Sommer, wenn sie Flip Flops tragen. Die Schönste, die Anmutigste von allen wie immer Du, Tess. Das mit der Sexiness habe ich weg gelassen. Nie die Rede von Sex. Nicht mal in Andeutungen. Um Sex geht es nicht. Es geht nur darum, dass ich ihr schreibe und sie es liest und dass sie mir dann mit ihrem Licht zeigt, wenn es ihr gefallen hat. Gestern hat es ihr nicht gefallen. Mir auch nicht.