An diesem Laden komme ich vorbei, seit ich von Schöneberg aus Richtung Kudamm oder Zoo gehe. Und genau so lange hat der jetzige Besitzer den Laden. Seit 1997. In den ersten Jahren ein gutes Geschäft. Er hatte die alten Kunden vom Vorbesitzer. Zu denen kamen die jüngeren Kunden, die er gewonnen hat. Doch die kaufen jetzt über das Internet und die alten Kunden machen, was alte Leute immer machen, sie sterben und vorher trinken sie nicht mehr so viel, weil sich der Alkohol nicht verträgt mit den Medikamenten, die sie nehmen müssen. Außerdem darf nicht vergessen werden, in der Zeit, in der er den Laden hat, gab es zweimal Erhöhungen der Mehrwertsteuer, die Einführung des Euro ... . – Und die damit einhergehende Teuerung. – Richtig. Und es gab 2001 den 11. September. – Das hatte Einfluss auf Ihr Geschäft? – Oh ja. Ich habe das damals gar nicht im Fernsehen mitgekriegt. Ein Kunde hat es mir erzählt und der hat dann auch noch eine Flasche kalifornischen Rotwein gekauft. Auf jeden Fall war nach diesem Tag nichts mehr so wie es vorher war. – Aber was war das, was von diesem Ereignis in Ihrem Laden angekommen ist? – Er kann es nicht sagen. Ich überlege, was das gewesen sein könnte, mache mehrere Vorschläge, und dann haben wir es: ein Leichtsinn, den es vorher gegeben hat gesamtgesellschaftlich (und wie schön war der), den gab es danach nicht mehr. Und ist doch klar, dass sich so etwas auswirkt auf das Geschäft in einem Laden, der Internationale Weine und Spirituosen anbietet. Deshalb also die Aufkleber im Schaufenster: Zu vermieten. – Zu verkaufen. Die habe ich bemerkt auf dem Rückweg, als ich heute zum zweiten Mal an dem Laden vorbeikam und noch mal rein bin, um zu fragen, was die Aufkleber zu bedeuten haben, und darauf hat er mir erzählt, dass er mit zwei Monatsmieten im Rückstand ist und wie es dazu kam.
Ganz anderes Gespräch auf dem Hinweg. Da bin ich in den Laden gegangen, nachdem mir die Werbung für Writer´s Tears aufgefallen war, und habe zu dem Mann im Laden gesagt, dass ich auch ein writer bin, ein kleiner, und gerne wissen würde, von wem der auf dem Etikett abgedruckte Satz ist, doch bestimmt von einem berühmten Autor und Whiskey-Trinker. Zu meiner Verwunderung wusste der Mann im Laden das nicht, hat mir dann aber den Whiskey gezeigt, obwohl ich ihm gleich sagte, dass ich ihn mir nicht kaufen wolle. Doppelt schade. Seinetwegen; ich hätte den guten Mann gerne mit einem Kauf unterstützt. Meinetwegen; weil ich beim Trinken des Writer´s Tears-Whiskey mich daran hätte freuen können, dass er ohne Farbstoffzusatz ist. Das habe ich nun nämlich gelernt, dass selbst teuersten, jahrzehntelang im Fass gereiften Whiskeys Farbstoff (Zuckercouleur) zugesetzt wird, da anders die von den Kunden erwartete gleichbleibende Färbung von einem Naturprodukt wie Whiskey nicht zu kriegen ist. Und außerdem hätte ich mich beim Trinken noch an der Konsistenz von Writer´s Tears erfreuen können – daran, wie der Whiskey im Glas herunterfließt. Schlierig. Wie Tränen. Tears. Writer´s Tears.
Beim ersten Mal habe ich dem Mann im Laden noch fröhlich gute Geschäfte gewünscht, als ich weiter ging, und er hat sich ebenso fröhlich dafür bedankt. Beim zweiten Mal habe ich ihm beim Abschied Alles Gute gewünscht wie jemandem, dem eine Operation am offenen Herzen bevorsteht, und so ernst hat er sich für den Wunsch auch bedankt. Mensch!
Landsmann
Internationale Spirituosen&Weine
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